„GERECHTIGKEITSPOLITIK muss ganz nach oben auf die AGENDA“

ÖDP-Grundsatzbeauftragter Suttner fordert „Gerechtigkeitspolitik muss ganz nach oben auf die Agenda“

Intensive Diskussionen prägten die Veranstaltung des ÖDP-Kreisverbands Landshut am Dienstagabend im Gasthaus Pritscher in Greilsberg. Auf Einladung des Kreisverbands referierte der Bildungsreferent und langjährige Landesvorsitzende der ÖDP, Bernhard Suttner aus Windberg (Landkreis Straubing-Bogen).

Kreisvorsitzender Heiko Helmbrecht begrüßte die Gäste und betonte die Aktualität des Themas: „Gerade auf kommunaler Ebene merken wir, wie wichtig eine faire und respektvolle Streitkultur ist. Demokratie braucht Haltung – und das beginnt vor Ort.“

Suttner machte in seinem Vortrag deutlich, dass nach seiner Ansicht auf zwei zentralen Baustellen gearbeitet werden müsse, „damit wir wieder besser zusammenkommen und so die Demokratie in Deutschland erhalten und für alle attraktiv machen können.“

Die erste Baustelle betreffe die Art der Konfliktaustragung: „Dass wir unterschiedlicher Meinung sind, ist in den allermeisten Fällen nicht das Problem“ meinte der Referent. Schwierig werde es, wenn zum einen die Verfassungsgrundlagen nicht mehr geachtet werden und zum anderen die eigene Ansicht zur einzig möglichen erklärt wird. Hochproblematisch sei auch das populistische Leugnen der Komplexität aktueller Probleme, die Verachtung von wissenschaftlich begründeten Fakten und die pauschale Zuweisung von Schuld auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder auch Einzelpersonen. Populisten seien sehr geschickt darin, die eigene Anhängerschaft von allen Lasten und Notwendigkeiten “freizusprechen“ und gleichzeitig andere Menschengruppen als Problemverursacher zu brandmarken. Das verhängnisvolle Spiel „wir gegen die“ müsse aufhören, weil die großen Probleme unserer Zeit wie z.B. die Erhitzung des Planeten, der Verlust der biologischen Vielfalt und die überbordende Schuldenlast der öffentlichen Haushalte „gemeinschaftlich verursacht wurden und deshalb auch gemeinschaftlich bearbeitet und gelöst werden müssen“, meinte Suttner.  In diesem Zusammenhang warb der Referent leidenschaftlich für die Mitgliedschaft in gemeinwohlorientierten lokalen Vereinen: „Hier kommt man zusammen und macht die Erfahrung von Wirksamkeit!“ Während im Internet die Beleidigungen locker hin und herfliegen sei man von Angesicht zu Angesicht in aller Regel respektvoller: „Wer sein gemeinsames Ziel bei der Feuerwehr kennt, greift nicht gleich zu Hass und Hetze gegen andersdenkende Mitglieder!“

Polarisierung, also die deutliche und pointierte Formulierung von Gegensätzen müsse man in einer Demokratie aushalten. „Oft wird einem selbst die Problemsicht klarer, wenn man Widerspruch erfährt und seine Argumente im Kreuzfeuer prüfen muss“ stellte Suttner fest. Zu den auf „ewig“ geltenden deutschen Verfassungsgrundsätzen dürfe es aber keinen Gegenpol geben. In diesem Zusammenhang verwies der gelernte Politikwissenschaftler auf den vielen nicht bekannten Grundgesetzartikel 79.3, der eine Änderung des Grundgesetzes verbietet, wenn es um die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip, den Rechtsstaat, den Sozialstaat und die Beteiligung der Länder an der Gesetzgebung geht. „Das ist die Lehre aus der deutschen Geschichte: Nie wieder soll im deutschen Namen das Recht aller Menschen auf Würde verachtet werden, nie wieder darf ein unkontrollierbares Machtzentrum entstehen, nie wieder darf eine Clique um eine Führerperson den Staat okkupieren!“

Auf der zweiten Baustelle müsse man endlich daran gehen, Gerechtigkeitspolitik auf die Agenda ganz nach oben zu setzen. Es breite sich die gefährliche Stimmung im Lande aus, dass die Lebenslage kleiner Leute nicht mehr beachtet werde und nur noch im Interesse vermögender Kreise Politik gemacht werde. Ein Musterbeispiel sei das Ausbleiben des an sich versprochenen Klimageldes: „Im Koalitionsvertrag der verflossenen Bundesregierung war versprochen, die Einnahmen aus der klimapolitisch sinnvollen und notwendigen CO2-Abgabe an die Bürger in geeigneter Form zurückzugeben. Davon hätten Haushalte mit niedrigem Einkommen und entsprechend bescheidenem Verbrauch sehr gut profitieren können.“ Dass dies nicht umgesetzt wurde und stattdessen großzügige Zuschüsse zu übermotorisierten E-Fahrzeugen gegeben wurden, sei sozial wie ökologisch falsch gewesen. Leider könne man von der neuen Bundesregierung keine Besserung erwarten. Suttner verwies auf eine Vielzahl von Gerechtigkeitsprojekten, die in der wissenschaftlichen Literatur empfohlen werden, um auseinanderdriftende Gesellschaften wieder näher zusammenzubringen: So werde von vielen ein allgemeines Pflichtjahr im Dienst der Gemeinschaft empfohlen. Die Einrichtung von Bürgerräten gebe auch Menschen eine Beteiligungschance, die sonst nicht gefragt werden. Auch die Auszahlung eines „Grunderbes“ nach Volljährigkeit und Abschluss einer Ausbildung sei gemeinschaftsbildend, weil damit der Start aller junger Menschen in die Selbständigkeit erleichtert werden. Solche Projekte seien leicht zu finanzieren, wenn man endlich das Tabu breche, wonach riesige Einkommen aus Kapitalerträgen und den Gewinnen aus Immobilienspekulation staatlicherseits nicht angetastet werden dürften: „Dass wir immer noch die meisten Steuern und Abgaben vom Faktor Arbeit einkassieren und die Faktoren Kapitalertrag und Umweltverbrauch verschonen, passt schon lange nicht mehr in die Zeit“ kritisierte Suttner.

Am Ende des Abends entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Viele Gäste betonten, wie wichtig es sei, gesellschaftliche Spaltung auch auf lokaler Ebene zu überwinden – etwa durch mehr Austausch in Vereinen, zwischen Generationen und politischen Lagern.

Der Landratskandidat der ÖDP, Lorenz Heilmeier resümierte: „Suttners Forderung nach Gerechtigkeitspolitik ist auch eine Aufgabe für uns im Landkreis Landshut: Wir müssen Politik wieder als gemeinschaftliches Projekt begreifen.“

Foto: ÖDP Landkreis Landshut

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