„Ich war nicht der talentierteste, aber immer der hungrigste SPIELER vor dem TOR“  

Interview mit EVL-Stürmer Nick Hutchison über seinen Job als „Net-FrontGuy“, die Playoffs und alternative Geburtstagspläne       

Vier Tage vor Heiligabend 2024 ist Nick Hutchison in Landshut angekommen, am zweiten Weihnachtsfeiertag gab er in Bad Nauheim sein Debüt für den EVL, zwei weitere Tage später feierte er in der ausverkauften Fanatec Arena gleich seinen ersten Derby-Sieg gegen Rosenheim, inklusive eigenem Assist. Inzwischen hat der US-Boy seine Bilanz auf 23 Scorerpunkte (10 Tore, 13 Assists) in 19 Spielen aufgestockt und führt mit einem Punkteschnitt von 1,21 die teaminterne Wertung an. Wir sprachen mit dem 29-Jährigen aus Hicksville (Bundesstaat New York) über seinen bemerkenswert kurzen Weg von der Nachverpflichtung zum absoluten Leistungsträger am Gutenbergweg.

Nick, Sie haben kurz nach Ihrer Ankunft erzählt, dass Ihr Wechsel zum EVL insgesamt in weniger als 72

Stunden über die Bühne gegangen sei. Sie hatten also nicht allzu viel Zeit, über Ihr zweites EuropaEngagement (nach Schweden in der Vorsaison) nachzudenken. Fühlen Sie sich nach zwei Monaten in der Entscheidung bestätigt, nach Landshut zu kommen?  

Nick Hutchison: Absolut, ich bin richtig gut angekommen! Natürlich habe ich die Jungs in der Kabine und den EVL kennengelernt, aber auch schon die Stadt – ich kenne die besten Restaurants (lacht). Es ist schnell mein Zuhause geworden, ich fühle mich als Teil der Gemeinschaft hier.

Auf dem Eis gilt das in ganz besonderer Weise. Ihr Spielstil, Ihre physische Präsenz haben der Mannschaft erkennbar einen neuen Touch, ein zusätzliches Element gegeben. Wie ist Ihr eigener Eindruck?  

Nick Hutchison: Ja, ich denke, ich bringe eine neue Dynamik ins Team – speziell in der Zone vor dem gegnerischen Tor. In meiner ganzen Karriere war ich immer ein „Net- Front-Guy“ – also ein Spieler, der seine Qualitäten am besten direkt vor dem Tor entfalten kann und sich dort auch am wohlsten fühlt. Ich war nicht der talentierteste Spieler, aber ich bin immer der hungrigste Spieler, wenn es darum geht zu scoren. Dafür arbeite ich extrem hart vor dem Tor und auch überall sonst auf dem Eis.

Es gibt im Sport das geflügelte Wort, man müsse „dahin gehen, wo ́s wehtut“, um erfolgreich zu sein.

Das ist nicht jedermanns Sache, aber wenn man Sie im Spiel beobachtet, hat man den Eindruck: Je

näher am Tor Sie agieren und je intensiver es zur Sache geht, umso wohler fühlen Sie sich. Ist diese Zone so etwas wie Ihr natürliches Habitat?  

Nick Hutchison: Kann man so sagen. Ich bin groß, physisch stark (Anm.: 1,91m, 95 Kilo) und versuche meinen Körper in die richtige Position vor dem Tor zu bringen. Viele Spieler gehen da nicht so gerne hin, aber mir macht das Spaß. Ich glaube, wenn ich da hingehe, sorgt das für eine andere Präsenz als wenn es jemand macht, der sich nicht so wohlfühlt. Ich habe sehr viel Selbstvertrauen in diesen Situationen. Auch wenn es nicht jedes Mal funktionieren kann: Wenn es irgendwo vor dem Tor einen Rebound oder eine freie Scheibe gibt, sind meine Chancen sehr hoch, etwas zu produzieren.

Gibt ́s dafür ein Geheimnis?  

Nick Hutchison: Ich wünschte, ich hätte eines (lacht). Sicherlich hat es mit Erfahrung zu tun. Ich kann für mich und das Team gute Gelegenheiten schaffen, wenn ich vor dem gegnerischen Tor das größtmögliche Chaos kreiere, dem Goalie die Sicht nehme. Er soll in erster Linie damit beschäftigt sein, dass er überhaupt etwas sieht – und sich dann erst um den Puck kümmern können.

Auffallend war, wie schnell und gut Sie in der Sturmreihe mit David Stieler und Tor Immo zusammengefunden haben. Was ist der Schlüssel für dieses Top-Verständnis?  

Nick Hutchison: Wir passen echt gut zusammen. Stielo, Tor und ich haben hohen Respekt

voreinander, wir pushen uns gegenseitig, wir haben eine sehr gute Kommunikation und ein ähnliches Verständnis vom Spiel. Schon verrückt, wie gut wir drei Jungs aus Nordamerika, Schweden und Tschechien zusammenpassen….

Und es scheint euch ziemlich egal zu sein, wer am Ende das Tor macht. Ein gutes Beispiel war Ihr doppelter Doppelpass mit David Stieler zum Empty Net Goal neulich in Kaufbeuren.  

Nick Hutchison: Für uns kommt es nicht darauf an, wer die Tore schießt. Wenn Stielo scort – super. Wenn Tor scort – super. Wenn ich score – auch super. Worauf es wirklich ankommt und worauf unser Fokus liegt: Wir wollen Spiele gewinnen.

Ihr Stellenwert für die Mannschaft zeigt sich auch an der Eiszeit. Mit gut 21 Minuten im Schnitt liegen Sie in dieser Statistik unter den Top 10 der Stürmer ligaweit. Mögen Sie es, viel Verantwortung zu übernehmen?  

Nick Hutchison: Ich kenne das, auch bei früheren Teams habe ich 20 bis 22 Minuten gespielt. Natürlich hilft es, wenn das Programm nicht zu eng getaktet ist. Regeneration ist wichtig, ich achte da auf viele Dinge, zum Beispiel auf Ernährung. Grundsätzlich will ich gerne Verantwortung übernehmen und im Team vorangehen. Und ganz ehrlich: Je mehr ich im Flow bin, umso weniger denke ich nach. Ich beschäftige mich dann nicht mit einer vergebenen Chance, sondern konzentriere mich gleich auf den nächsten Wechsel.

Aktuell steht der EVL auf Platz 6. Wie sehen Sie den Hauptrunden-Endspurt – und die Perspektiven für die Playoffs?  

Nick Hutchison: In dieser Liga ist wirklich alles sehr eng – in der Tabelle und in den einzelnen Spielen.

Unabhängig davon, auf welchem genauen Platz wir die Hauptrunde beenden, wir werden mit

Selbstvertrauen in die Playoffs gehen. Wir haben Anfang Januar in Kassel 6:3 gewonnen, letzten Dienstag waren wir beim Spitzenreiter in Dresden, hatten nur drei Reihen, einige Jungs waren nicht ganz gesund – aber wir haben an uns geglaubt, von Wechsel zu Wechsel gedacht und konnten am Ende einen Punkt mitnehmen. Wir haben gegen jedes Team und überall eine Chance – wenn wir unser System durchbringen. Natürlich wollen wir in den Playoffs mit einem vollen Line-up unser bestes Hockey zur richtigen Zeit spielen.

Am 27. April feiern Sie Ihren 30. Geburtstag – oder auch nicht. Es ist nämlich der Tag, an dem ein mögliches Spiel 6 im Playoff-Finale stattfinden würde. Lassen Sie mal Ihre Fantasie fliegen…  

Nick Hutchison: Das wäre ein großartiges Geburtstagsgeschenk – ich würde viel lieber spielen als meinen Geburtstag zu feiern!

Gibt es schon Überlegungen bezüglich der nächsten Saison?  

Nick Hutchison: Ich bin definitiv glücklich hier, habe mir aber noch keine großen Gedanken über die Zukunft gemacht. Es gab noch keine Gespräche zur nächsten Saison. Wir sind alle darauf fokussiert, was aktuell passiert. Ich bin bereit für die Playoffs und will Spiele gewinnen.

Was machen Sie, wenn Sie nicht auf dem Eis stehen – was sind Ihre Hobbys?  

Nick Hutchison: Golf! Ich bin nicht der beste Golfer, aber ich liebe es zu spielen. Und im Sommer gehe ich an die Strände zu Hause in Long Island.

Last but not least: Wie wird Ihr Leben nach der aktiven Karriere aussehen – bleiben Sie in der Welt des Eishockeys bzw. des Sports oder werden Sie etwas ganz anderes machen?  

Nick Hutchison: Ich liebe Eishockey, habe mein ganzes Leben Sport gemacht. Also ich vermute mal, es wird wahrscheinlich etwas mit Sport sein. Vielleicht werde ich im Management eines Clubs tätig sein, aber vielleicht werde ich auch etwas anderes attraktiv finden. Mein Vater war New York City Police Officer, das habe ich im Hinterkopf.

– Interview: Michael Stolzenberg –

Foto: EV Landshut

 

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