BESUCH aus dem IRAK: AUSTAUSCH zu GEDENKARBEIT in Landshut

Landshut

Am vergangenen Wochenende besuchte der kurdische Historiker und Überlebende Hemn Goptapy die Stadt Landshut, um über den Umgang mit traumatischen Verbrechen der Geschichte und die Bedeutung der Erinnerungskultur zu sprechen.

Dieser besondere Besuch kam durch die Kooperation zwischen der NGO WADI und dem Internationalen Kurdischen Freundschaftsverein Landshut e.V. zustande.

Hemn Goptapy stammt aus dem kurdischen Gebiet des Irak und überlebte die sogenannte Anfal-Kampagne – eine systematische Vernichtungsaktion der kurdischen Bevölkerung durch das irakische Militär unter Saddam Hussein im Jahr 1988. Während dieser Operation wurden Tausende Kurd*innen ermordet oder verschleppt. Seit Jahren widmet sich Goptapy der Aufgabe, die Erinnerung an diese Geschehnisse lebendig zu halten. Dafür sammelt er in betroffenen Dörfern im Irak Dokumente, Fotos und Interviews mit Überlebenden und hat so ein bedeutendes Archiv aufgebaut.

Ziel seines Besuchs in Deutschland ist es, Gedenkarbeit in Kurdistan durch den Austausch mit deutschen Initiativen weiterzuentwickeln. Am Freitag besuchte Goptapy das NS-Dokumentationszentrum in München, wo er von einer Mitarbeiterin des Hauses empfangen wurde. Sie führte ihn durch die Ausstellungen und erklärte die deutsche Herangehensweise an die Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen. Im Gespräch kam die Idee auf, eine Ausstellung über die Anfal-Kampagne auch in Deutschland zu organisieren. Mit einem geeigneten Konzept und einer guten Übersetzung wäre es möglich, Exponate und Dokumente von Hemn Goptapy auch in Deutschland auszustellen Eine Ausstellung hier zu lande ist vor allem aus zwei Gründen Interessant. Zum einen leben viele betroffene, sowie Nachkommen der 80er des Irak in Deutschland. Zum anderen waren es aber auch deutsche Firmen die Teile der Vernichtungsmaschinerien im Irak herstellten. Gerade bei der Herstellung von Giftgas, mit dem viele Menschen ermordet wurden, wurde von deutschen Firmen überhaupt erst ermöglicht.

Am Samstag dann, führte ihn eine Stadtführung durch Landshut an historische Orte mit Bezügen zum Nationalsozialismus, ein besonderer Fokus waren dabei die Stolpersteine. Die Führung endete im Stadtmuseum, wo aktuell die Ausstellung zur NS-Zeit in Landshut zu sehen ist. Danach kam es zu einem Austausch mit Vertreter*innen des Stolpersteinvereins, des Verbands der Verfolgten des Naziregimes und weiteren Akteur*innen der Gedenkarbeit aus der Region. In diesem Kreis wurde unter anderem darüber gesprochen, Hemn Goptapys Arbeit durch Übersetzungshilfen ins Deutsche zu übersetzen. Eine Besondere Anerkennung bekam Goptapy für seine sehr Umfangreiche Archivsammlung. „Es ist so wichtig Gedenkarbeit zu starten solange es noch die Möglichkeit gibt mit Zeitzeugen zu sprechen. Und hier scheint es noch so viel Möglichkeiten zu geben. In Deutschland hatten wir leider erst viel zu spät damit angefangen und dadurch viel weniger die Möglichkeit in den Austausch von überlebenden zu gehen.“, sagte die Sprecherin des Verbands der Verfolgten des Naziregimes Luise Gutmann.

Zum Abschluss des Besuchsprogramms stand am Sonntag ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Dachau an. Im Fokus stand dabei die Frage, wie man in Kurdistan Gedenkstätten einrichten könnte, die dem Schicksal der Opfer der Anfal-Kampagne gerecht werden. Besonders die Gestaltung des Museums und die Art und Weise, wie die verschiedenen Teile des KZ-Geländes als Zeugnisse des Verbrechens aufbewahrt werden, inspirierten Goptapy für seine eigenen Projekte.

Bereits in den vergangenen Jahren veranstaltete der Internationale Kurdische Freundschaftsverein in Landshut Gedenkveranstaltungen zum Angriff auf Halabja, der ebenfalls 1988 stattfand und als einer der verheerendsten Angriffe der Anfal-Kampagne gilt. Für den 16. März 2025, den 37. Jahrestag des Angriffs, ist eine erneute Veranstaltung geplant, bei der auch voraussichtlich Beiträge von Goptapy gezeigt werden.

Mit seinem Besuch und den intensiven Gesprächen über Erinnerungskultur und Gedenkarbeit erhofft sich Hemn Goptapy neue Impulse für die Errichtung erster Gedenkstätten und Museen in Kurdistan. Der Austausch zwischen Landshut und Kurdistan ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität und zeigt, wie grenzübergreifende Zusammenarbeit dazu beitragen kann, das Gedenken an Verbrechen gegen die Menschlichkeit lebendig zu halten und eine Kultur des Erinnerns zu fördern.

 

Fotos:
Richard Wilde

 

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