Jahresfachtagung stand unter dem Motto „Niederbayern als neuer Medizincampus und Zukunftsraum in der Europaregion Donau-Moldau“
Drei Länder, sieben Regionen in Bayern, Tschechien und Österreich – das ist die Europaregion Donau-Moldau (EDM). Heuer hat Niederbayern den EDM-Vorsitz und war daher auch Ausrichter der großen jährlichen Fachtagung. Einen ganzen Tag lang diskutierten Experten im Festsaal des Bezirksklinikum Mainkofen zum Thema „Niederbayern als neuer Medizincampus und Zukunftsraum in der EDM“. Eines machten die Fachleute deutlich: Der neue Medizinstudiengang für Niederbayern soll so schnell wie möglich umgesetzt werden, weil Ärztenachwuchs in der Region ein drängendes Problem ist. Und der Medizincampus Niederbayern könnte einen positiven Effekt auch auf die anderen EDM-Regionen in Österreich und Tschechien haben.
Ziel einer EDM-Jahresfachtagung ist es, tief in ein Thema einzusteigen. Fachleute und politische Vertreter aus ganz Niederbayern und weit darüber hinaus waren gekommen, um zu erörtern, wie die medizinische Versorgung und die Ärzteausbildung im gesamten EDM-Raum gewährleistet werden kann. Fachreferate und eine Podiumsdiskussion standen auf dem Programm. Nachmittags gab es viele gute Beispiele: Innovative Forschungsprojekte und Projektinitiativen im Bereich des Gesundheitswesens und der Pflege in der EDM wurden vorgestellt. Vom Projekt Deaf Pal – Kommunikation in der Palliativversorgung gehörloser Menschen der Hochschule Landshut bis zur Forschungsinnovation in der Prothetik in der tschechisch-bayerischen Region in Zusammenarbeit mit der Westböhmischen Universität in Pilsen reichten die insgesamt sieben Best-Practice-Beispiele.
Gastgeber war als EDM-Präsidiumsvorsitzender der niederbayerische Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. Er erklärte: „Wir haben das Thema aufgegriffen, weil sich der Medizincampus gerade in der heißen Phase der Entwicklung befindet.“ Der Bezirk Niederbayern hat sich seinen Worten nach schon vor rund acht Jahren auf den Weg gemacht, hier Konzepte zu entwickeln. Der Freistaat habe nun die Sache in die Hand genommen, und das bewertet Heinrich als sehr bedeutsames Signal: „Es ist eine extrem wichtige Weichenstellung, weil wir aus der Region Menschen ausbilden können, die eine Verwurzelung in der Region haben.“ Wer hier studiere, der bleibe vielleicht auch. Schon jetzt sei es schwierig, Stellen von Fachärzten nachzubesetzen, berichtete Heinrich aus der Praxis der bezirkseigenen Krankenhäuser. Das Thema niedergelassene Ärzte sei aber genauso drängend. Die medizinische Versorgung sei ein verbindendes Thema aller sieben Regionen der EDM. Heinrich ist sich sicher: „Wenn man hier zusammenwirkt, dann kann man Lösungen für die Probleme unserer Zeit finden.“
Der Freistaat vergeudet keine Zeit, stellte Christian Bernreiter, Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, heraus. Ende August habe die Frist geendet, mietbare Flächen für den Medizincampus Niederbayern zu melden: „Denn wir wollen diese anmieten, das beschleunigt das Projekt, weil wir nicht bauen müssen.“ Aktuell würden die eingegangenen Angebote mit hoher Priorität geprüft. „Wir haben uns beim Medizincampus für eine realistische Lösung ausgesprochen und diese auch gefunden“, so der Minister.
Prof. Dr. Ernst Tamm, Vizepräsident für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Regensburg, stellte die Eckdaten des Medizincampus Niederbayern vor. Das Projekt wurde der Universität Niederbayern zugeordnet, die den ersten Teil der theoretischen Ausbildung übernimmt, bevor die Studenten dann im Rahmen ihrer klinischen Ausbildung zu den vier niederbayerischen Standorten kommen. Rund 100 ausgebildete Ärzte pro Jahr in Niederbayern soll das Ergebnis des neuen Medizincampus sein. Im Moment wird das Curriculum entwickelt sowie die Regeln der Zusammenarbeit. Es sei nicht leicht, so viele Standorte unter einen Hut zu bringen. „Unsere momentane Vorstellung ist, dass eine GmbH gegründet wird als Schnittstelle zwischen Universität und der Region.“
Die Zeit drängt, bis 30. November muss der Studiengang angemeldet werden. Dazu brauche es Planungssicherheit. Man wolle unbedingt schon im Wintersemester 2024/2025 beginnen, denn die Studenten würden ja erst in sechs Jahren fertig und der Ärztenachwuchs in Niederbayern fehle schon jetzt. Tamm gibt das Ziel aus, dass die Ausbildung am Medizincampus Niederbayern mindestens genauso gut wie eine Ausbildung an einem Universitätsklinikum werden soll. Vielleicht wird sie sogar besser, glaubt er: „Es gibt oft nur zwei, drei Studenten pro Gruppe, also auch pro Arzt und Patient. Bei anderen Studienstandorten sind es rund zwölf. So ist es möglich, dass jeder Student jeden Patienten untersuchen kann und der Lerneffekt ist größer als nur beim Zuschauen.“
BR-Moderator Tilmann Schöberl führte durch eine Podiumsdiskussion. Hana Hajnová, stellvertretende Bezirkshauptfrau der Region Vysočina, bekannte dabei: „Ich fühle mich hier in Niederbayern zu Hause. Wir haben nicht nur zwei gleich schöne Regionen, sondern auch die gleichen Probleme.“ In der EDM könnten Synergien genutzt werden. In ihrer Region gebe es zwar keinen Medizinstudiengang, aber technisch hervorragend eingerichtete Krankenhäuser und man könne deshalb einen gegenseitigen Austausch anstreben, um voneinander zu lernen. Auch im Bereich grenzübergreifender Rettungsdienst sei es wichtig, sich zu vernetzen.
Mag. Jakob Hochgerner, Leiter der Direktion Soziales und Gesundheit der oberösterreichischen Landesregierung, zeigte auf, wie es in Linz gelungen ist, einen Medizinstudiengang zu etablieren. Über 300 Studierende pro Jahr sind das Ergebnis: „Viele bleiben hängen.“ Dr. Winfried Brechmann, Amtschef des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege, erklärte einen Aspekt des Ärztemangels: „Wir haben zwar steigende Studienzahlen, aber auch viele Ärzte, die in Teilzeit arbeiten.“ Er sagte auch: „Der Wettbewerb um Pflegekräfte wird enorm stark werden.“ Der ärztliche Direktor des Bezirksklinikums Mainkofen, Prof. Dr. Johannes Hamann, führte aus, auch die neuen Arbeitszeitgesetze tragen zum Ärztemangel bei: „Früher hat man oft 48 Stunden durcharbeiten müssen.“ Neue Arbeitszeitmodelle seien auch am BKH in Mainkofen „ein ganz großes Thema“. Bezirkstagspräsident Dr. Heinrich gibt aber eines zu bedenken: „Wir können im Wettbewerb nicht bestehen, wenn wir alle immer weniger arbeiten wollen.“ Statt der ständigen Devise „Juhe, endlich kommt das Wochenende“ solle man daher wieder mehr in den Vordergrund stellen, wie sinngebend Arbeit sein kann, nicht nur Freizeit.
Der Bezirkstagspräsident zog ein positives Fazit zur Veranstaltung: „Sie macht Mut.“ Die Themen sollen weiterhin mit Optimismus gelöst werden, wünscht er sich: „Wenn dies auch noch grenzüberschreitend passiert, wird sich die Europaregion auch in der Zukunft sehr gut entwickeln.“
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Über die Gewinnung von Ärztenachwuchs diskutierten: Von links Mag. Jakob Hochgerner (Oberösterreich), Euregio-Vorsitzender Kaspar Sammer, Staatsminister Christian Bernreiter, Regierungspräsident Rainer Haselbeck, stellvertretende Bezirkshauptfrau Hana Hajnová, Prof. Dr. Johannes Hamann, Prof. Dr. Ernst Tamm, Amtschef Gesundheitsministerium Dr. Winfried Brechmann und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich.
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