BAYERN, auch weiterhin die ZUKUNFTSWERKSTÄTTE DEUTSCHLANDS

Bertram Brossardt: „Die bayerische Wirtschaft wird in diesem Jahr auf der Stelle treten“

Marcus Zehentbauer, Kreisvorsitzender der Mittelstands-Union Landshut, die Kandidaten der Landtags- und Bezirkstagswahl, MdL Helmut Radlmeier (Landtag direkt), Martina Hammerl (Bezirk direkt), Verena Sladek (Landtag Liste), und Hans Peter Summer (Bezirk Liste) luden zum Themenabend „Lage der Bayerischen Wirtschaft“ in das Hotel Rosenhof in Ergolding ein.

MdL Helmut Radlmeier, der Initiator der Veranstaltung, begrüßte die sehr zahlreich erschienen Gäste im Hotel Rosenhof in Ergolding

„Ich bin gerne nach Ergolding gekommen. Man könnte auch sagen, ich bin mit Freude hierhergefahren, weil schon mit BMW eines unserer wichtigsten Mitgliedsunternehmen hier produziert, aber auch viele mittelständische Industriebetriebe ansässig sind. Und die Industrie ist nun einmal das wirtschaftliche Rückgrat unseres Landes“, mit diesen Begrüßungsworten stellte sich der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., Bertram Brossardt, den vielen interessierten Besuchern der Veranstaltung, vor. Brossardt sei auch kooptiertes Mitglied im Landesvorstand der Mittelstands-Union, wie er hinzufügte.

Die Mittelstandsunion habe eine wichtige Funktion, denn sie sei Anwalt der Wirtschaft in der Regierungspartei der CSU. Auch sei es ihr Anspruch als Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, die Anliegen der Wirtschaft gegenüber der Staatsregierung zu vertreten.  Man habe so viel gemeinsam und man möchte nicht nur als bloße Zuschauer am Spielfeldrand stehen, sondern die Politik aktiv gestalten. Die gestellten Weichen möchte man so sehen, dass die bayerischen Unternehmen dauerhaft erfolgreich unterwegs sein können. Diese Aufgabe sei in letzter Zeit nicht einfacher geworden, meint Brossardt. Er will hier nicht das Gespenst vom kranken Mann Europas an die Wand malen, aber von einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung könne in Deutschland und in der Folge auch in Bayern gerade nicht die Rede sein. Nach einer technischen Rezession mit zwei Minusquartalen in Folge sei auch die erhoffte Frühjahrsbelebung ausgeblieben. „Deutschland befindet sich in einer Rezession, denn seit drei Quartalen ist die Wirtschaft nach aktuellen Konjunkturdaten nicht mehr gewachsen“, berichtete Brossardt.

Laut dem aktuellen IWF-Wachstumsausblick ist die deutsche Volkswirtschaft die einzige unter 22 untersuchten Ländern und Regionen, in der das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr zurückgehen dürfte. Deutschland sei also das konjunkturelle Schlusslicht. Von dem grünen Wirtschaftswunder, von dem der Bundeskanzler sprach, ist man meilenweit entfernt. Es wäre fast schon ein Wunder, wenn man wieder zügig auf einen stabilen Wachstumspfad gelangen würde. In Bayern sehe es auch nicht viel besser aus. Man gehe davon aus, dass die bayerische Wirtschaft in diesem Jahr auf der Stelle treten wird. In der Schlüsselbranche, der Metall- und Elektroindustrie, sind die Erwartungen verhalten – das gilt auch für Niederbayern. Auch beim Export sehe es recht unerfreulich aus. Lediglich 8,5 Prozent der Betriebe erwarten hier eine Verbesserung. Ein knappes Drittel (32 Prozent) rechne mit einer Eintrübung.

Zwiespältig sei die Lage, wenn es um das Thema Investitionen geht. Knapp 28 Prozent der niederbayerischen M+E-Unternehmen wollen im zweiten Halbjahr mehr im Inland investieren. Hingegen 15 Prozent müssen die Investitionen zurückfahren und zudem entfällt nur ein Fünftel der im Inland geplanten Investitionen auf Erweiterungsmaßnahmen. Das sei kein gutes Zeichen, meint der Hauptgeschäftsführer der vbw, denn fehlende Innovationen heute seien fehlende Innovationen, fehlende Kapazitäten und fehlende Wertschöpfung morgen.

Die aktuelle konjunkturelle Lage sei deshalb so unfreundlich, weil man sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel befinde. „Wir von der vbw bezeichnen die Herausforderungen, vor denen wir stehen als die drei großen D:

Die Dekarbonisierung, bei der wir die schwierige Transformation zum klimaneutralen Industrieland hinbekommen müssen.

Die Digitalisierung, wo wir in Deutschlands weltspitze sein müssen, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit bewahren wollen.

Und die Demografie, die den Mangel an Fach- und Arbeitskräften weiter verschärft“, prognostiziert Brossardt.

Die größte Gefahr aber für Deutschland sei ein viertes großes D: die drohende De-Industrialisierung.

Dieser Prozess laufe schleichend, aber er laufe. Dies zeige auch eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Danach seien im vergangenen Jahr 125 Milliarden Euro mehr Direktinvestitionen deutscher Firmen ins Ausland abgeflossen, als umgekehrt vom Ausland aus in Deutschland investiert wurden – der größte Abfluss unter 99 Ländern! Dadurch entstehen im Ausland   Arbeitsplätze und Wohlstand – und das könne man sich nicht mehr leisten. Deshalb sei es auch so ärgerlich, wenn das von BMW im Gäuboden geplante Batteriewerk von einer Bürgerinitiative vor Ort erbittert bekämpft wird. Über so eine große und zukunftsweisende Investition müssten in dieser Zeit doch alle jubeln. Brossardt meint, man müsse in Deutschland wieder mehr über das „Investitionsklima“ reden anstatt über das Weltklima, so wichtig der Kampf gegen die Erderwärmung auch sei. Nur wenn die Unternehmen investitionsfreudig und investitionsfähig seien, werde man die hochgesteckten Klimaziele erreichen.

Zu diesem Thema habe vbw unlängst eine Kampagne vorgestellt in der aufgezeigt wird, welch großartige Beispiele der Nachhaltigkeit die bayerische Wirtschaft tagtäglich liefere. Man könne sich auf der vbw Internetseite unter dem Stichwort „Zukunft.Made in Bavaria.“, gerne ansehen, es lohne sich.

„Nachhaltigkeit ist, wenn Ökonomie, Ökologie und Soziales miteinander im Einklang sind!“

„Das Trauerspiel um das Heizungsgesetz hat der Regierung in Berlin hoffentlich die Augen geöffnet. Es hat sich hier auch gezeigt, welch schwerwiegende Folgen es hat, wenn man über die Köpfe der Menschen hinweg den Klimaschutz von oben verordnen will. Am Ende treibt eine solche Politik viele Menschen dorthin, wo wir sie überhaupt nicht verortet sehen wollen, nämlich in die Arme der Rechtspopulisten, die nur leere Versprechungen anbieten, aber keine Lösungen. In Bayern stehen wir auch hier deutlich besser da, als der Bund, denn bei uns gibt es Lösungen“, sagt Bertram Brossardt.

Die Standortfrage und Standortpolitik spiele auch eine große Rolle. Die erfreuliche Folge sei, dass sich Bayern nach einer von vbe in Auftrag gegebene Studie des Beratungsunternehmens IW Consult im internationalen Vergleich mit 45 Industrieländern auf dem zweiten Platz behauptet hat.

„Wir haben in Bayern ja auch viele Standortvorteile. Ich denke da an unsere industriellen Flaggschiffe, den starken Mittelstand, die hervorragende Universitäts- und Forschungslandschaft, eine leistungsfähige Infrastruktur und natürlich auch unsere gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Hinzu kommt eine Staatsregierung, mit der wir als Wirtschaft seit Jahrzehnten eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Auch das ist ein großes Plus am Standort Bayern, und diesen Standortvorteil müssen wir uns bewahren“, so Brossardt.

Erschreckend sei aber beispielsweise, dass sich nach der schon zitierten Umfrage fast 70 Prozent der Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie mit verschlechterten Standortbedingungen konfrontiert sehen, auch wenn die Ursachen dafür im Wesentlichen nicht in Bayern liegen.

Von dem legendären ehemaligen bayerischen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu stamme der Satz: „Wir können nicht davon leben, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden.“ Gemeint sei damit, dass eine reine Dienstleistungsgesellschaft unseren Wohlstand nicht sichern könne. Der starke Motor für Wachstum und Beschäftigung sei und bleibe die Industrie. Man wisse doch, dass die industrielle Wertschöpfung auch in vielen anderen Wirtschaftsbereichen Aufträge und Arbeitsplätze schaffe. Vor allem die Zulieferfirmen, die Bauunternehmen, ja auch die „BMW-Betriebe“ – Bäcker, Metzger und Wirte – profitieren letztlich vom Erfolg der Industrie.

Vor diesem Hintergrund sei es noch keiner Volkswirtschaft gut bekommen, wenn sie sich von der Industrie abgewandt habe. Diesen Fehler darf man nicht machen. Gerade in Bayern nicht. Denn bei einer fortschreitenden De-Industrialisierung hätte man am meisten zu verlieren. In Bayern wird fast ein Viertel der Bruttowertschöpfung in der Industrie erwirtschaftet. Zum Vergleich: In Deutschland liege der Anteil bei 20 Prozent, in der EU bei 17 Prozent und in den USA sogar nur bei 12 Prozent. So wird sich sicher kein Widerspruch auftun, dass es den Bayern bessergeht. Aus diesem Grund müsse die De-Industrialisierung mit allen Mitteln verhindert werden.

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist von einer Zeitenwende die Rede.

Man brauche aber eine Zeitenwende nicht nur, wenn es um die Verteidigungsfähigkeit und den Schutz des Landes gehe.  Man brauche auch eine Zeitenwende, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Stärke des Landes geht. Deshalb sei eine Zeitenwende in der Standortpolitik von Nöten. Pessimisten meinen ja, es sei für den Standort Deutschland bereits fünf vor zwölf. Als Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft setze man ganz bewusst das vwb-Bayernprogramm „12 für 5“ zur Landtagswahl am 8. Oktober entgegen. Dieses enthält zwölf Kapitel mit Forderungen und Vorschlägen für die kommenden fünf Jahre.

„Wir müssen endlich herunter von immer mehr zusätzlichen Kosten und Belastungen für die Betriebe. Wir müssen raus aus dem Krisenmodus und rein in eine Entfesselungsagenda. Unser Land muss schneller, einfacher und digitaler werden – vor allem in der Verwaltung. Es darf nicht länger sein, das das Schneckentempo oft die behördliche Höchstgeschwindigkeit in Deutschland ist und wir in Bürokratie ersticken. Es spricht doch Bände, wenn selbst der Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann angesichts einer – Zitat – „viel zu filigranen Regulierung“ in Deutschland sagt: Wir werden so nicht mehr regieren können. Deshalb ist es richtig, wenn die CSU in ihrem aktuellen Sofortprogramm für Wachstum und Wohlstand ein Belastungsmoratorium für die Wirtschaft fördert. Dieses von der Regierung bislang nur angekündigte Moratorium ist überfällig. Denn wenn es so weitergeht, regulieren wir uns noch zu Tode“, konstatiert der Hauptgeschäftsführer der vbw.

Wenn man einer De-Industrialisierung entgegenwirken wolle, brauche man auch mehr Tempo für die notwendigen Entscheidungen in Berlin. Wie lange schon diskutiere man über einen Industriestrompreis und eine Senkung der Stromsteuer, wie sie auch die CSU fordere und das schon so viele Monate. In der Zwischenzeit sei beispielsweise für die energieintensive Papierfabrik in Plattling das Aus gekommen, und viele Betriebe auch aus Bayern investieren nun lieber im Ausland.

Das ist deutsche Politik im Jahr 2023, beschreibt Brossardt so:

Gute Vorschläge bereden, dann allmählich zerreden, schlechtreden und am Ende totreden. So komme unser Land sicher nicht voran. Genauso hilft es nicht weiter, wenn die völlig falschen Debatten geführt werden. Statt darüber zu sprechen, wie man durch eine kleine Erhöhung der Arbeitszeit den Mangel an Arbeits- und Fachkräften abmildern könne, diskutiert man über das glatte Gegenteil: die vier Tagewoche.

Natürlich müsse eine Vier-Tage-Woche im Einzelfall möglich sein: eben dann, wenn es in die betriebliche Arbeitszeit an vier statt fünf Tagen geleistet werde. Aber weniger arbeiten, und das noch bei vollem Lohnausgleich, gehe natürlich nicht und das sollte man den Menschen auch nicht vormachen. Denn auch für die Menschen in Deutschland gelte: Noch keine Industrienation der Erde habe den nationalen Wettbewerb dadurch für sich entschieden, dass sie weniger gearbeitet habe. Deutschland habe jetzt schon die geringste Jahresarbeitszeit weltweit.

1.340 geleistete Arbeitsstunden je Erwerbstätigen in Deutschland seien satte 230 Stunden weniger pro Jahr als im Schnitt der Europäischen Union. Selbst wenn man nur auf das Niveau von Schweden mit 1.440 Arbeitsstunden oder der Schweiz mit 1.570 Arbeitsstunden kämen, könnte man das Arbeitsvolumen um 7 bis 14 Prozent erhöhen. Und das seien beides ja keine Länder, die im Verdacht stehen, dass die Menschen dort ausgebeutet werden. Wir können es jetzt in Deutschland sicher nicht lockerer angehen, wie manche offenbar meinen – Stichwort Work-Life-Balance. Man brauche vielmehr jeden Kopf und jede zupackende Hand, wenn man als Wirtschaftsstandort nicht zurückfallen wolle.

Das gelte übrigens auch für den Landkreis Landshut: Nach der aktuellen vbw- Studie „Regionale Arbeitslandschaften“ werde hier im Jahr 2035 einer Nachfrage nach Arbeitskräften von 63.300 Personen ein Angebot von lediglich 58.800 Personen gegenüberstehen. In Saldo sei ein Minus von 6,5 Prozent. In einigen Berufen sieht es deutlich düsterer aus. Brossardt denkt da beispielsweise an die Bus- und Lkw-Fahrer, bei denen im Landkreis ein Defizit von 31,5 Prozent erwartet werde. Dagegen müsse dringend etwas unternommen werden. Das heißt: Man muss gegen den Mangel an Arbeits- und Fachkräften zunächst einmal alle inländischen Potenziale aktivieren. Eine gesteuerte Zuwanderung sei ebenfalls notwendig. Wer behauptet, es werde ohne Zuwanderung gehen, belügt die Menschen.

Diese Zuwanderung müsse sich aber an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientieren und darf buchstäblich nicht grenzenlos für jeden und jede sein. „Ich plädiere also für eine Zuwanderung für die Sozialpläne und nicht in die Sozialpläne“, wies Bossardt hin.

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft habe vor diesem Hintergrund kürzlich ein Verbindungsbüro in Albanien eröffnet. Es werde sich vor Ort um Arbeits- und Fachkräfte bemühen, denn gerade der Westbalkan böte hier einiges Potenzial.

Zu Abschluss seines Referates machte Brossardt noch ein paar grundsätzliche Bemerkungen zum Wirtschaftsstandort Bayern:

„Unser Wohlstand im Freistaat beruht auf drei kräftigen Säulen. Einer starken Industrie, einem starken Dienstleistungssektor und einem starken Handwerk. Hinzu kommt ein gesunder Mix aus kleinen und großen Unternehmen und deren Ansiedlung sowohl in Ballungsräumen als auch in ländlichen Regionen. Wir müssen uns alle zusammen darum kümmern, dass diese Vielfalt erhalten bleibt. Denn hier geht es auch um die Identität unseres Landes. Als Bayerische Wirtschaft ist es uns ein echtes Herzensanliegen, mit dafür zu sorgen, dass Bayern auch in Zukunft Bayern bleibt. Ein Land, in dem es mehr Leistungsträger als Bedenkenträger gibt. Ein Land, in dem wir mehr auf die Chancen als auf die Risiken schauen. Ein Land, in dem Werte wie Anstand und Respekt mehr gelten als ziviler Ungehorsam am Klimakleben. Und vor allem auch ein Land, in dem der gesellschaftliche Zusammenhalt stärker ausgeprägt ist als andernorts. Auch das ist ein Standortvorteil. Wir haben in Bayern schon mehrfach bewiesen: Wir sind in der Lage, einen Strukturwandel zu bewältigen. Bayern kann Transformation. Ich bin deshalb sicher, dass wir in Bayern auch weiterhin die Zukunftswerkstatt Deutschlands sein können. Lassen sie uns gemeinsam dafür arbeiten, wie wir es in Bayern immer getan haben. Ich bin mir sicher, dass wir in schwierigen Zeiten mit Zuversicht in die Zukunft schauen können“, resümierte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., Bertram Brossardt und bedankte sich bei seinen Zuhörern.

Tobias Kurzmaier von Media Consulting, Aktionskreis für Wirtschaft, Politik und Wissenschaft moderierte die nachfolgenden Fragen an Bertram Brossardt aus dem Publikum zum Thema.

Bertram Brossardt bekam als Dankeschön für seinen interessanten Beitrag das obligatorische Landshuter Buchskranzl überreicht. 

-hjl-

 

Fotos:
h.j.lodermeier

 

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