Die 180 Delegierten des 83. Bayerischen Ärztinnen- und Ärztetages (BÄT) fassten am ersten Tag der Arbeitssitzung in Lindau unter anderem Beschlüsse zu folgenden Themen:
„Gewalt in Arztpraxen“, „Arbeitsbedingungen in bayerischen Krankenhäusern“, „Smartphonefreie Schulen“, „Investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren“, „Praxisstärkungsgesetz“, und „Arzneimittel-Lieferengpässe“.
Schutz vor Gewalt in Arztpraxen
Die Delegierten riefen die Bundesregierung auf, den Schutz von Ärztinnen und Ärzten sowie medizinischem Personal vor Gewalt in ambulanten Praxen zu verbessern, indem der besondere rechtliche Schutz auf alle Gesundheitsdienstleister, insbesondere auch auf das medizinische Personal in ärztlichen Praxen, ausgeweitet wird. Der Grund: In den vergangenen Jahren habe die Gewalt gegen Beschäftigte im Gesundheitswesen – sowohl in Krankenhäusern als auch in Arztpraxen – alarmierend zugenommen. Zahlreiche Umfragen und Studien, darunter eine aktuelle Online-Befragung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), zeigten deutlich, dass ein großer Teil des medizinischen Personals, insbesondere in Arztpraxen, vermehrt verbalen und physischen Übergriffen ausgesetzt sei.
Arbeitsbedingungen in bayerischen Krankenhäusern verbessern Die Delegierten erklärten, dass in Kliniken der Teufelskreis aus schlechten Arbeitsbedingungen, unattraktiven tariflichen Regelungen und daraus resultierendem Personalmangel mit sich verstärkender Überlastung der Verbliebenen dringend durchbrochen werden müsse. Aktuell böten die laufenden Tarifverhandlungen zwischen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände die Chance, eine Trendumkehr einzuleiten.
Smartphonefreie Schulen in Bayern fördern
Einstimmig appellierte der BÄT an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, Konzepte für Smartphonefreie Schulen zu entwickeln und zu fördern. Ziel sei, die Konzentrationsfähigkeit und soziale Interaktion von Schülerinnen und Schülern zu verbessern. Denn Smartphones lenkten nicht nur ab, sondern beeinträchtigten auch die Fähigkeit der Schüler, sich auf den Unterricht zu konzentrieren und effektiv in Gruppen zu arbeiten.
Investorenbetriebene medizinische Versorgungszentren (iMVZ) eindämmen
Der 83. BÄT forderte die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag auf, die mehrfach angekündigte gesetzliche Regulierung und Begrenzung von iMVZs zeitnah umzusetzen und entsprechende Maßnahmen im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) zu verankern. Denn die steigende Dynamik bei der Gründung und Ausbreitung von iMVZ-Ketten, die wirtschaftliche Interessen über medizinische Notwendigkeiten stellten, erfordere rasches Handeln. Um eine patientenorientierte und qualitativ hochwertige Versorgung sicherzustellen, müssten inhabergeführte Arztpraxen gestärkt und der ärztliche Beruf in seiner Unabhängigkeit geschützt werden.
Der BÄT befürwortete auch ausdrücklich Praxis- und MVZ-Gründungen durch ärztlich geführte Praxisverbünde, Vereine, Genossenschaften und andere gemeinwohlorientierte Strukturen. Gleichzeitig forderten die Delegierten die Staatsregierung, Kommunen und die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns auf, die Gründung und den Betrieb gemeinnütziger MVZ aktiv zu fördern und zu unterstützen.
Digitalisierung: Forderung nach einem „Praxisstärkungsgesetz“
Die Delegierten appellierten an den Bundesgesetzgeber, durch ein „Praxisstärkungsgesetz“ den Digitalisierungsprozess und die Modernisierung der Praxisinfrastruktur im niedergelassenen Bereich finanziell zu unterstützen. Ansonsten könnten viele inhabergeführte Praxen den steigenden Anforderungen nicht gerecht werden, was letztendlich die flächendeckende Patientenversorgung gefährde.
Außerdem forderte der BÄT das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und die Nationale Agentur für Digitale Medizin (gematik) auf, die Anwendungen „elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ (eAU) und „elektronisches Rezept“ (E-Rezept) nutzenorientierter zu gestalten. Denn das Betreiben dieser staatlich verordneten Anwendungen sei für Praxen und Kliniken sehr aufwändig und stehe derzeit in keinem Verhältnis zum Ertrag.
Lieferengpässen bei lebenswichtigen Medikamenten entgegenwirken
Die Delegierten forderten das BMG auf, den immer noch bestehenden Lieferengpässen bei Medikamenten endlich entgegenzuwirken. Derzeit seien sogar Kochsalzlösungen davon betroffen. Österreich habe das Problem bereits erkannt und die Arzneimittelproduktion teilweise wieder ins Land geholt. Bayerische Landesärztekammer