„Ich bin kein Ja-SAGER und kein Nein-SAGER, sondern ein Warum-FRAGER“  

Interview mit „Goldhelm“ Tor Immo über Qualitäten eines Top-Teams, seinen kongenialen Partner David Stieler und den besonderen Spaß im Penalty Killing

Er kam, sah und lieferte: Mit der Verpflichtung von Tor Immo gingen im Sommer beim EVL beträchtliche Erwartungen einher – nun, nach einem Drittel der Hauptrunde, kann man feststellen: Der Schwede, der letzte Saison bei Dukla Trencin in der Slowakei und davor beim EHC Freiburg schon mal ein Jahr in der DEL2 spielte, ist genau der Leistungsträger und Führungsspieler, als der er unter Vertrag genommen wurde. Mit 22 Punkten (7 Tore/15 Assists) ist er Top-Scorer im Team von Heiko Vogler und steht in der Plus-Minus-Statistik mit +17 ligaweit auf Platz 2. Der Coach sieht ihn als „Denker und Lenker“ des EVL-Spiels – Zeit für ein ausführliches Interview mit dem 30-jährigen Goldhelm.

 

Herr Immo, nach 18 Spielen liegt der EVL in der Tabelle auf Platz 6 (bzw. nach dem Punkteschnitt auf Rang 5) – sind Sie mit dem Abschneiden des Teams soweit zufrieden?

Tor Immo: Nachdem wir die ersten drei Spiele verloren hatten, sind wir, denke ich, ganz gut in die Saison reingekommen – vor allem wenn man bedenkt, dass wir ja einige Verletzungen hatten. Was mir besonders auffällt, ist die mentale Stärke des Teams. Wir können auch an einem nicht perfekten Abend einen Weg finden, um zu gewinnen, weil wir Vertrauen in unser System haben. Das ist entscheidend, wenn du ein Top-Team sein willst. Natürlich kann man immer mehr Punkte holen, aber insgesamt war es ein anständiger Start. Highlights waren die Derby-Heimsiege vor vollem Haus.

 

Ihre persönliche Zwischenbilanz liest sich statistisch stark, Trainer Heiko Vogler hat Sie als „Brain“ geadelt, und auch bei den Fans stehen Sie in hohem Ansehen. Wie fällt Ihre eigene Einschätzung aus, wie bewerten Sie selbst Ihre Startphase in Landshut?

Tor Immo: Ich bin sicher selbst mein größter Kritiker und muss sagen, dass ich in den ersten Spielen nicht so viele Tore geschossen wie ich hätte schießen sollen. Da habe ich eine Menge Chancen nicht genutzt und war ziemlich angepisst, weil wir sonst vielleicht mehr Spiele gewonnen hätten. Dann ist es besser geworden, wobei ich immer noch finde, dass wir angesichts der Chancen, die wir kreieren, mehr Tore schießen müssten. Das gilt auch für mich. Normalerweise zählt das Powerplay zu meinen Stärken, hier kann ich beim Gegner den größten Schaden anrichten. Und da muss ich und müssen wir als Team etwas effizienter werden.

 

Ihr bisher herausragender Auftritt war beim 9:3 gegen Regensburg, als Sie in 28 Minuten – vermeintlich – sieben Scorerpunkte gemacht haben. Auch wenn zwei Assists nachträglich gestrichen wurden: War das so ein Abend, an dem alles funktioniert hat?

Tor Immo: Ja, das war eines dieser Spiele, in denen alles klappt. David Stieler und ich waren, glaube ich, bei acht der neun Tore auf dem Eis. Wir beide denken und spielen Eishockey auf die gleiche Weise. Vielleicht sind wir nicht die schnellsten Jungs in der Liga, aber wir sind stark am Puck. Ich habe ja nicht mit Eishockey angefangen, um dem Puck hinterherzujagen, sondern um ihn zu haben und damit etwas Gutes zu machen. Das ist und bleibt meine Devise.

 

Der Coach spricht mit Blick auf das Teamgefüge und die Bedeutung von Führungsspielern davon, dass es einerseits „übertragene Verantwortung“ gebe und auf der anderen Seite „gewollte Verantwortung“; als Beispiel für gewollte Verantwortung nennt er explizit Sie. Wie füllen Sie diese Rolle praktisch aus?

Tor Immo: Mittlerweile bin ich 30 Jahre alt, aber ich wollte schon immer ein Anführer meines Teams sein. Dazu muss ich nicht Kapitän sein, aber ich rede viel, auf dem Eis, in der Kabine, auch mit den Trainern. Heiko und Schubi involvieren die Spieler in die Systeme, in kleinere Anpassungen, die für die Optimierung entscheidend sein können – in der Vorbereitung, aber auch während der Spiele. Und ich bin neugierig, frage nach bei den Trainern, weil ich die Dinge genau wissen und verstehen will. Ich bin kein Ja-Sager und kein Nein-Sager, sondern ein Warum-Frager. Und wenn wir dann in der Kabine darüber reden, können vielleicht auch andere Spieler davon profitieren, die nicht selbst fragen. Der Effekt ist: Jeder versteht alles, du hast keine Fragen im Kopf, du gehst einfach raus und spielst, das macht es auf dem Eis viel einfacher. So möchte ich mithelfen, die Mannschaft weiterzuentwickeln.

 

Sie machen auf dem Eis bei aller Härte, Geschwindigkeit und Intensität des Spiels meist einen, sagen wir, relativ unangestrengten, jedenfalls souveränen Eindruck. Sie lassen schwierige Dinge leicht aussehen, was ja bekanntlich weit über das Eishockey hinaus eine ganz besondere Fähigkeit ist. Ist das eine Frage der Erfahrung, der Coolness – oder wovon?

Tor Immo: Das ist eine Kombination aus verschiedenen Faktoren und hat viel mit dem Team zu tun. Generell ist es wichtig, dass man genau weiß, wie der Mitspieler tickt, was er in bestimmten Situationen macht – so wie David Stieler und ich. Welchen Pass spielt man? Ist er zu riskant? Oder lohnt es sich, dieses Risiko einzugehen, weil die Chance in diesem Moment größer ist? Vielleicht sieht es manchmal leicht aus, sogar wenn ich unter Druck bin, aber das hat damit zu tun, dass du wissen musst, was du mit dem Puck machst, bevor du ihn bekommst. Denn wenn du ihn bekommst, ist es zu spät. Also habe ich mehrere Optionen im Kopf, je nachdem wie sich der Gegenspieler verhält.

 

Neben allen offensiven Qualitäten fallen Sie auch durch Ihre Präsenz in Unterzahl auf, was nicht zur zwingenden Jobbeschreibung eines Top-Scorers gehört. Interpretieren Sie das als Teil Ihrer Verantwortung fürs Team und/oder macht es Ihnen sogar Spaß?

Tor Immo: Ich mag es wirklich! Der Punkt ist: Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie die Powerplayspieler des Gegners ticken, was in ihren Köpfen vorgeht, was sie gerade planen. Das macht richtig Spaß, wenn du den Rhythmus des Gegners brechen und das Momentum auf die eigene Seite holen kannst. Wir ziehen als Mannschaft viel Stolz aus unserem Penalty Killing, wir haben da einige sehr gute Jungs, blocken Schüsse mit Leidenschaft – und Heiko legt generell viel Wert auf dieses Element des Spiels.

 

Der EVL hat vor dieser Saison erstmals den formalen Antrag für eine DEL-Lizenz gestellt und die entsprechende Bürgschaft hinterlegt. Wie sehr hat das im Sommer Ihre Entscheidung, nach Landshut zu wechseln, beeinflusst?

Tor Immo: Um ehrlich zu sein: Das war einer der Gründe, warum ich hier unterschrieben habe! Ich wollte in der DEL2 nur zu einem Club gehen, der die DEL- Lizenz beantragt hat, alles andere war ein No-Go. Die Botschaft des Vereins ist klar: Wir wollen nicht nur mitspielen, wir wollen gewinnen. Mein Ziel passt dazu: Ich will auch gewinnen, ich will aufsteigen, ich will in der DEL spielen, am besten mit den Jungs hier.

 

Anfang des Monats sind Sie 30 geworden. Mit einem Augenzwinkern gefragt: Fühlen Sie sich jetzt älter oder reifer?

Tor Immo: Das ist doch eigentlich nur eine Zahl, der messe ich nicht soviel Bedeutung bei. Ich höre in meinen Körper hinein, da fühle ich mich wie 23. Es geht mir gut! Ich habe den besten Job der Welt, nichts würde ich lieber tun als Eishockey spielen. Nicht im Büro sitzen von 9 bis 17 Uhr und auch nicht in der Autoindustrie arbeiten, wie ich das zu Beginn meiner Karriere zeitweise gemacht habe. Dorthin will ich nicht zurück. Jetzt ist mein Hobby zugleich mein Job – und ich liebe es.

 

Haben Sie schon eine Vorstellung davon, was Sie nach der aktiven Karriere machen werden?

Tor Immo: Da habe ich mir noch keine genauen Gedanken gemacht. Im Moment würde ich sagen, ich bleibe dem Eishockey verbunden, als Coach, Scout oder Agent. Vielleicht werde ich die Frage in ein paar Jahren anders beantworten, aber eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass ich diesen Sport eines Tages komplett verlasse.

 

Zumal Sie ja auch familiär ganz gut eingebettet sind ins Thema Eishockey…

Tor Immo: Stimmt, meine Frau Eveline ist selbst in einer Eishockey-Familie aufgewachsen, ihr Vater ist aktuell Co-Trainer beim SC Bern. Zu Hause schauen wir jeden Abend zusammen Spiele an, aus Schweden, aus der Schweiz und so weiter. Ja, es gibt schon viel Eishockey bei uns (schmunzelt). Aber nicht zu viel.

 

Seit kurzem sind Sie selbst stolzer Vater, Tochter Freya ist vor fünf Wochen in Landshut auf die Welt gekommen. Wie geht ́s der jungen Familie?

Tor Immo: Phantastisch. Okay, in Sachen Schlaf ist es ein bisschen anders als zuvor, aber nachts kümmert sich vorwiegend meine Frau um die Kleine. Ich versuche sie insgesamt so gut wie möglich zu unterstützen. Natürlich schreit Freya auch mal, aber wenn sie sich dann beruhigt und in meinen Armen einschläft, ist es einfach phantastisch.

 

Was sind Ihre Hobbys und Interessen jenseits von Eishockey, was machen Sie im Sommer?

Tor Immo: Mein Nr. 1-Hobby ist ganz klar Golf. Zu Hause in Schweden ist es im Sommer 22 Stunden hell, da gehe ich um 19.30 oder 20 Uhr mit meinen Freunden auf eine 18- Loch-Anlage und spiele bis in den späten Abend hinein. Außerdem bin ich absoluter American-Football-Fan, wie auch Jack Doremus. Und ich spiele gerne Padel Tennis, das in Schweden sehr populär ist. Angeln habe ich auch vier-, fünfmal probiert, das ist nicht so meines, da muss man geduldig sein (schmunzelt).

 

Foto:
EV Landshut

 

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