Wenn der START ins LEBEN schwerfällt

Wie die Sozialmedizinische Nachsorge Familien in Niederbayern unterstützt

Landshut, 24. Juni 2025 – Sein neugeborenes Baby im Arm zu halten, sollte eigentlich ein Moment großer Freude sein. Für eine junge Familie aus Landshut, deren Tochter Sophie* mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung zur Welt kam, war der Start ins Familienleben jedoch ein anderer. Geprägt von Notoperationen, Ungewissheit und einem langen Klinikaufenthalt, wurde die erste Zeit zu dritt zu einer großen Herausforderung. Was ihnen in dieser Zeit Halt gab? Der unerschütterliche Lebenswille ihrer Tochter. Aber auch die umfassende Unterstützung durch die Sozialmedizinische Nachsorge des Bunten Kreises Landshut im Zentrum Niederbayern der Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM).

(*Name geändert)

Sophie kam mit einer lebensbedrohlichen Zwerchfellhernie zur Welt. Durch diesen angeborenen Defekt können Organe aus dem Bauchraum in den Brustkorb rutschen. Dies hinderte die Lunge der kleinen Kämpferin bereits im Mutterleib am Wachsen und beeinträchtigte ihre Atmung nach der Geburt so stark, dass eine sofortige intensivmedizinische Behandlung nötig war. Statt Wochenbett und Kuschelzeit, waren die frischgebackenen Eltern nun mit Operationen, künstlicher Beatmung und ständiger Trennung konfrontiert. „Wir durften unser Baby nicht einmal halten“, erinnert sich die Mutter heute. „Wir waren getrennt – unsere Tochter auf der Intensivstation, ich auf der Wöchnerinnenstation, mein Ehemann im Wohnmobil vor der Klinik.“ Diese ersten Wochen räumlicher und emotionaler Distanz waren eine enorme Belastung. Die Sorge um das eigene Kind und das Gefühl, als Familie nicht richtig zusammenfinden zu können, hinterließen Spuren. Nach drei Monaten Krankenhausaufenthalt durfte Sophie nach Hause. Ein lang herbeigesehnter Tag, dem die Familie aber auch mit Unsicherheit entgegensah. Die Heimkehr mit ihrer Tochter brachte neben aller Freude auch etliche Ängste mit sich: die Sondenernährung über eine Magensonde, die Koordination der vielen Therapietermine, eine riesige Antragsflut – und dabei die ständige Sorge um die Gesundheit von Sophie. Elfe Binder, gelernte Kinderkrankenschwester und Fachkraft für Sozialmedizinische Nachsorge im Zentrum Niederbayern, stand den Eltern in dieser schweren Zeit mit ihrer fachlichen Expertise, viel Herz und einem stets offenen Ohr zur Seite. Denn die Sozialmedizinische Nachsorge der Stiftung AKM nach dem Modell „Bunter Kreis“ ist ein kostenfreies Angebot speziell für Familien mit schwerkranken oder frühgeborenen Kindern, die nach einem, oft wochen- oder monatelangen, Klinikaufenthalt zurück in den häuslichen Alltag entlassen werden. Gerade dieser Übergang stellt viele Eltern vor enorme Herausforderungen: Die medizinische Versorgung des Kindes muss sichergestellt, Termine koordiniert, Pflegehilfsmittel beantragt werden – zusätzlich zur eigenen Erschöpfung. Elfe Binder weiß: „Viele Eltern stehen nach der Entlassung ihres Kindes vor einem Berg an Herausforderungen. Wir begleiten sie in dieser schwierigen Zeit und helfen ganz konkret.“

Von der Klinik ins Kinderzimmer: Begleitung, die trägt

Dabei umfasst die Sozialmedizinische Nachsorge eine Vielzahl an unterstützenden Leistungen, die den Familien den Übergang vom Krankenhausalltag in das Leben zuhause erleichtern. Dazu gehört die Koordination von Therapien, die Organisation benötigter Hilfsmittel sowie die Abstimmung von Arztterminen. Ebenso wichtig ist die emotionale und psychologische Stabilisierung der gesamten Familie durch regelmäßige Gesprächsangebote – auch kurzfristig und flexibel. Die betroffenen Eltern erhalten darüber hinaus eine fachkundige Anleitung im Umgang mit medizinischen Geräten wie Sonden, Monitoren oder Sauerstoffgeräten. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Nachsorge ist der Aufbau eines verlässlichen Netzwerks an Kinderärzt*innen vor Ort, regionalen Frühförderstellen, Kliniken sowie weiteren unterstützenden Angeboten in Niederbayern. Ziel ist es, die medizinische und therapeutische Versorgung des Kindes auch nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bestmöglich sicherzustellen – wohnortnah, abgestimmt und eng begleitet. So entsteht ein stabiles Umfeld, das Familien in einer ohnehin belastenden Zeit spürbar entlastet. Die Betreuung durch eine erfahrene Fachkraft beginnt idealerweise bereits rund vier Wochen vor Entlassung aus der Klinik und wird im Anschluss für etwa zwölf Wochen im häuslichen Umfeld fortgeführt. Die Kosten werden größtenteils von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung, die direkt in der Klinik oder durch die behandelnde Kinderärztin bzw. den Kinderarzt ausgestellt wird. Leistungen, die über die Krankenkassenfinanzierung hinausgehen, werden durch die Stiftung AKM getragen und sind spendenfinanziert. Für die betroffenen Familien bleibt das gesamte Angebot jederzeit kostenlos.

Ein besonderer Weg – und jemand, der mitgeht

Die Geschichte der kleinen Sophie aus Landshut zeigt eindrucksvoll, wie wichtig ein starkes Unterstützungsnetz für Familien mit schwer erkrankten Kindern ist – besonders in der oft herausfordernden Zeit nach einem Klinikaufenthalt. Die Sozialmedizinische Nachsorge bietet genau dort Hilfe, wo Familien sie am dringendsten benötigt: zu Hause, im Alltag, im neuen Leben – mit einem ganz besonderen Kind. Dass diese Begleitung wirkt, zeigt sich nicht nur in den medizinischen Fortschritten der kleinen Sophie, sondern vor allem in der Stärkung der ganzen Familie. „Ohne die Hilfe von Elfe Binder hätten wir uns manchmal einfach verloren gefühlt. Es war beruhigend zu wissen, dass da immer jemand ist, den man anrufen kann – auch freitagabends, wenn’s wirklich brennt“, sagen Sophies Eltern dankbar. Ihr Wunsch für die Zukunft, „dass noch viele andere Familien in Niederbayern von diesem Angebot erfahren – und davon genauso profitieren dürfen wie wir.“

Inzwischen ist Sophie neun Monate alt und lebt mit ihrer Familie zuhause – in einem Alltag, der noch neu und oft herausfordernd ist, aber auch voller kleiner Fortschritte und liebevoller Momente steckt. Mit der Unterstützung ihrer Familie und der Erinnerung daran, dass Hilfe jederzeit da ist, wird sie Stück für Stück ihren ganz eigenen Weg meistern – mutig, getragen und sicher nie allein.

 

Titelbild: Sophie* mit Eltern und Nachsorgeschwester Elfe Binder (© Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München)

Bild 1&2: Sophie* allein & mit Nachsorgeschwester Elfe Binder (© Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München)

 

Bild: Sophie* mit Nachsorgeschwester Elfe Binder (© Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München)

 

Über Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM)

Seit 2004 betreut die Stiftung Ambulantes Kinderhospiz München (AKM) Familien mit lebensbedrohlich und lebensverkürzend erkrankten Ungeborenen, Neugeborenen, Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen oder erkrankten Elternteilen in München und ganz Bayern. Dabei wird das Team aus hauptamtlichen Ärzt*innen, Psycholog*innen, Krankenschwestern, Heilpädagog*innen, Therapeut*innen und Sozialarbeiter*innen von rund 300 Ehrenamtlichen in den Bereichen Familienbegleitung, Krisenintervention und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Ziel soll es sein, den Familien in dieser schwierigen Zeit eine feste Stütze zu sein und Momente der Sicherheit, Geborgenheit und Normalität zu schenken.

Das Zentrum Niederbayern mit der Nachsorgeeinrichtung Bunter Kreis Landshut (Träger: Stiftung AKM) ist aufgrund des wachsenden Bedarfs an Unterstützung und Betreuung von Familien mit schwersterkrankten Kindern und Jugendlichen in der Region entstanden. Neben kürzeren Wegen für Familien und Helfer kann die Versorgung so auf die individuellen Bedürfnisse in der Region angepasst werden, auch im Notfall ist schneller jemand vor Ort. Das Zentrum Niederbayern ist in der gesamten Region im Einsatz und bietet das gesamte Leistungsspektrum der Stiftung AKM an. Von der Nachsorge über Angehörigenberatung bis hin zum Familienbegleitenden Kinderhospizdienst. Dabei arbeitet das Team eng vernetzt mit Kliniken, ärztlichen Fachkräften für Kinder- und Jugendmedizin, spezialisierten Fachdiensten sowie Behörden der jeweiligen (kreisfreien) Städte und Landkreise zusammen. Zudem bestehen Kooperationen u.a. mit Erwachsenenhospizvereinen, Kliniken, Nachbarschaftshilfen und Pflegediensten.

* E  N D E *

 

 

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