Gottesdienst in der Dreieinigkeitskirche erinnert an die Verantwortung für Demokratie und Freiheit
Rottenburg. – In der evangelischen Dreieinigkeitskirche wurde am Sonntagvormittag mit einem eindrucksvollen Kultur-Gottesdienst an den 9. November als „Schicksalstag der Deutschen“ erinnert. Unter dem Titel „Zwischen Weimar, Widerstand, Wiedervereinigung und Nie-Wieder – Kirche und Demokratie“ spannten Pfarrerin Veronika Mavridis, Religionspädagogin Sandra Sesselmann und Landtagsabgeordnete Ruth Müller (SPD) den historischen Bogen von der Reformation über die Weimarer Republik und den Widerstand im Dritten Reich bis hin zur Friedlichen Revolution von 1989 und erinnerten so an Sternstunden der Geschichte. Für die musikalische Gestaltung sorgte Benedicta Ebner mit fein abgestimmten Instrumental- und Gesangseinlagen.
Im Mittelpunkt des Gottesdienstes stand die Frage, welche Verantwortung Kirche und Gesellschaft heute tragen, wenn Demokratie und Zusammenhalt unter Druck geraten. „Freiheit, Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt sind keine Selbstverständlichkeit – sie müssen immer wieder neu erkämpft werden“, betonte Pfarrerin Mavridis zu Beginn. Mit eindrücklichen Zitaten und historischen Rückblicken erinnerten die drei Liturginnen daran, dass Kirche stets gefordert war, Haltung zu zeigen – vom Mut Martin Luthers über die Zivilcourage Dietrich Bonhoeffers bis zu den Friedensgebeten in Leipzig 1989. Auch an den Verlust der Heimat und die Suche nach neuer Heimat wurde erinnert, als die Geschichte der Ankunft der evangelischen Flüchtlinge in Niederbayern erzählt wurde.
Ruth Müller schlug den Bogen zur Gegenwart: „Wenn Worte wieder zu Waffen werden, müssen alle Alarmglocken schrillen“, sagte sie mit Blick auf rechtsextreme Hetze und zunehmende Gewalt gegen Politiker und Kirchenvertreter. Sandra Sesselmann erinnerte daran, dass es in einer Demokratie nicht reicht, zuzusehen: „Demokratie braucht Menschen, die sich einmischen – jeden Tag.“
Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Abschnitt über die Rolle der Kirche während der Friedlichen Revolution. Die offenen Kirchen seien damals Schutzräume gewesen, betonte Mavridis: „Mit Kerzen und Gebeten wurde Geschichte geschrieben.“ Passend dazu sang Benedicta Ebner Udo Lindenbergs Lied „Wir ziehen in den Frieden“ in dem es heißt:
„Wir haben doch nicht die Mauern eingerissen, damit die jetzt schon wieder neue bauen.“
Gemeinsam sang die Gemeinde „Vertraut den neuen Wegen“, das der evangelische Pastor Klaus-Peter Hertzsch 1989 getextet hatte sowie Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten“, , die beide als musikalische Zeichen für Hoffnung und Vertrauen in dunklen Zeiten verstanden wurden.
Am Ende stand der Appell, das „Nie wieder“ als gelebtes Versprechen ernst zu nehmen. „Freiheit ohne Verantwortung und ohne Mut kann nicht bestehen“, fasste Ruth Müller zusammen, bevor Leonie Helfer untermalt von Instrumentalmusik die „Ewigkeitsrechte“ zur Menschenwürde und Demokratie aus dem Grundgesetz verlas.
Nach dem Segen nutzten viele der rund 50 Besucherinnen und Besucher die Gelegenheit, bei Kirchenkaffee und einer kleinen Ausstellung zu 35 Jahren Deutscher Einheit ins Gespräch zu kommen.
Bildbeschreibung v. l. n. r.: Leonie Helfer, Benedicta Ebner, Pfarrerin Veronika Mavridis, Ruth Müller, MdL, Sandra Sesselmann
Fotografin: Karin Hagendorn