Oskar Stock erzählt vom Weihnachtswunsch eines kleinen Mädchens
Valentina wartete sehnlichst auf den Winter. Es war Dezember und es schien die Sonne. Nur ganz wenig lag der Schnee im Garten und an Frost war dieses Jahr gar nicht zu denken. Ihre Ski und der Schlitten standen noch unbenutzt und der kleine Fischweiher, der sich neben ihrem Haus befand, war alles andere als zugefroren. Nur eine hauchdünne Eisschicht bedeckte die Wasseroberfläche, dass auch das Schlittschuhlaufen noch nicht möglich war. Dabei sei anzumerken, dass Valentina alte, abgestoßene Schlittschuhe ihr Eigen nannte, die besser zur Entsorgung getaugt hätten. Aber sie hatte eben keine anderen.
Das kleine Mädchen riss jeden Tag ein Blatt des Abreißkalenders ab, welcher inzwischen schon zwei Zahlen nebeneinander zeigte. Ja, das Weihnachtsfest rückte näher und Valentina hatte dieses Jahr einen besonderen Wunsch: Sie wünschte sich ein Paar neue Schlittschuhe. Und nämlich solche, wie sie im Fernsehen die Eiskunstläuferinnen tragen. Das junge Mädchen konnte gut Schlittschuhlaufen und mit nur ganz wenig blauen Flecken vom Hinfallen, sauste es jeden Winter über den eisigen Fischweiher … aber natürlich nur, wenn er zugefroren war. Und dieses Jahr hatte sie Pech. Aber Weihnachten war ja noch nicht da.
Auf dem Weg zur Schule kam Valentina täglich an einem Sportgeschäft vorbei, in dessen Schaufenster sie ein Paar herrliche schneeweiße Schlittschuhe bewundern konnte, noch dazu in ihrer Größe. Sie drückte ihre Nase stets an Scheiben des Schaufensters und konnte sie nicht genug betrachten. Die Kufen leuchteten in der Sonne und das feine Leder sah weich und wohlig aus. Wie gerne, dachte das Mädchen, wäre sie eine Eiskunstläuferin und würde schwungvoll auf dem Eis des Weihers schwungvolle Figuren und Kreise fahren und Pirouetten drehen. Da müsste sie aber noch fleißig trainieren. Auch müsste der Weiher zufrieren … und ihr sehnlichster Weihnachtswunsch, diese schönen Schlittschuhe, müsste in Erfüllung gehen.
Die Schuhe kosteten sicher viel Geld und Valentina dachte an ihre wenigen Münzen und Scheine in ihrem Sparschwein, die wohl lange nicht zum Kauf der Schlittschuhe reichten. Aber wofür gab es denn das Christkind und wenn die Eltern mal mit ihm redeten, da musste solch ein Geschenk doch mal möglich sein. Letztes Jahr hatte sie neben Stricknadeln, ja eh nur einen dicken kratzigen Pullover bekommen, der ihr nicht sonderlich gefiel. Aber das sagte sie den Eltern nicht.
Vielmehr bat sie den Vater, ob er es nicht möglich machen könnte, dass sie zum Fest die heiß ersehnten Schlittschuhe aus dem Sportgeschäft bekomme. Oder solle gegebenenfalls auch Mutter mit dem Christkind reden, wenn diese die besseren Verbindungen mit dem Himmel habe. Auch faltete sie abends oft in ihrem Bett die Hände und betete zum Christkind, um ihrem großem Wunsch Nachdruck zu verleihen.
Draußen wurde es immer kälter und der Frost überzog den Fischweiher mit einer Eisschicht, die täglich immer dicker und dicker wurde. Valentina schlüpfte in ihre alten Schlittschuhe, die ihr fast ein wenig zu eng waren und sie probierte das Laufen auf dem Eis. Und sieha da, es war dick genug und hielt. Jetzt musste ihr Wunsch nur noch in Erfüllung gehen. Der Schnee und die Kälte legten sich über die Natur und die verschneiten Tannen wiegten sich im Wind. Die kleinen Meisen huschten vorbei und tummelten sich an ihrem Vogelhäuschen. Und immer wieder kam sie an dem Sportgeschäft vorbei und blickte sehnsuchtsvoll auf die Schuhe. Ach, waren die schön.
Da erlebte sie, kurze Tage vor dem Fest, auf dem Weg von der Schule nach Hause bei dem Sportgeschäft eine entsetzliche Überraschung. Die hübschen Schlittschuhe im Schaufenster waren fort und ein Paar derbe Lederschuhe nahmen ihren Platz ein. Das Mädchen begann zu weinen und seine Tränen kullerten wie Glasperlen in den frischen Schnee. Waren seine ganzen Bitten und das Hoffen umsonst gewesen?
Doch das Fest kam näher und dann war Weihnachten. Am Heilig-Abend strahlten im Wohnzimmer die Kerzen am Weihnachtsbaum um die Wette. Von Ferne läuteten die Glocken und unter dem Baum befanden sich, so wie jedes Jahr, verschiedene eifrig in Weihnachtspapier hübsch verpackte Geschenke. Eines war besonders groß und die Eltern sagten, dass dies Valentina gehöre. Sie packte es eilig voll Erwartung aus und schrie vor Freude auf. Sie hielt ihre ersehnten schneeweißen Schlittschuhe in Händen und die Kerzen spiegelten sich im Chrom der silbernen Kufen.
Hatten ihre zahlreichen Bitten an das Christkind doch Erfolg gehabt? Oder waren es die Eltern, die ihr diese Freude zu Weihnachten bereiteten? Valentina konnte man fürderhin jeden Tag nach der Schule und nach dem Hausaufgaben machen mit ihren neuen Schlittschuhen auf dem Fischweiher Pirouetten drehen sehen. Und sie war sehr glücklich.
Oskar Stock