Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich besucht Caritasschule St. Elisabeth – Diskussion über Finanzierungsengpässe, Personalmangel und Reformbedarf in der Behindertenhilfe
Freyung. Vor wenigen Monaten übernahm Julia Lorenz die Leitung der Caritasschule St. Elisabeth in Freyung. Beim Antrittsbesuch von Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich standen neben der positiven Entwicklung der Schule auch die wachsenden Herausforderungen im Sozialbereich im Mittelpunkt. Mit Vertretern des Förderzentrums sowie des Kreis-Caritasverbandes Freyung-Grafenau als Träger diskutierte er über einige zentrale Herausforderungen der Behindertenhilfe, wie etwa den akuten Personalmangel, die steigenden Sozialausgaben sowie mögliche Reformansätze im Bereich der Schulbegleitung und beim inklusiven Wohnen. Dr. Heinrich forderte dabei eine Überprüfung bestehender Standards sowie effizientere Lösungen, um das deutsche Sozialsystem langfristig tragfähig und finanzierbar zu halten.
Die Caritasschule St. Elisabeth ist ein auf den Bereich der geistigen Entwicklung spezialisiertes Förderzentrum in der Trägerschaft des Kreis-Caritasverbandes Freyung-Grafenau e.V. Ihr angegliedert sind eine schulvorbereitende Einrichtung (SVE) und eine heilpädagogische Tagesstätte. Wie Schulleiterin Julia Lorenz erläuterte, setzt das pädagogische Konzept der Einrichtung auf eine individuelle Förderung in kleinen Klassen sowie eine enge, diagnosegeleitete Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Eltern und weiteren pädagogischen Fachkräften. Derzeit besuchen 84 Kinder und Jugendliche das Förderzentrum: 75 Schüler mit geistiger Behinderung werden in insgesamt sieben Klassen mit je maximal zwölf Kindern unterrichtet; acht Kinder besuchen mit der schulvorbereitenden Einrichtung (SVE) den Kindergarten für Kinder mit besonderem Förderbedarf.
Julia Lorenz trat als Schulleiterin erst vor wenigen Monaten die Nachfolge von Ansver Sobtzick an und war zuvor rund 30 Jahre lang als Konrektorin sowie zuletzt auch als Interimsleitung tätig. Mit den umfangreichen Baumaßnahmen sowie der Corona-Pandemie liegen spannende und fordernde Jahre hinter der sonderpädagogischen Einrichtung. Man habe dabei zu jedem Zeitpunkt das Wohlwollen der Regierung von Niederbayern sowie des Kreis-Caritasverbandes als Träger gespürt und fühle sich als Förderzentrum auch gesellschaftlich wertgeschätzt, betonte Lorenz. Dank umfangreicher Investitionen sei die Einrichtung heute sowohl baulich als auch pädagogisch auf einem sehr guten Stand, wie Florian Kasparak, geschäftsführender Vorstand des Kreis-Caritasverbandes, betonte.
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich betonte zu Beginn des fachlichen Austauschs, dass die Behindertenhilfe zunehmend mit finanziellen und personellen Engpässen konfrontiert ist. Die Sozialausgaben haben in den vergangenen Jahren ebenso deutlich zugenommen wie der Personalmangel. In Kombination mit einer schwächelnden Wirtschaft und rückläufigen Steuereinnahmen sei ohne ein konsequentes Gegensteuern der Fortbestand des Systems gefährdet, zeigte sich der Bezirkstagspräsident besorgt. In enger Abstimmung mit Fachleuten und Verbänden erarbeiten die Bayerischen Bezirke deshalb Vorschläge, um mit weniger Personal- und geringerem Mitteleinsatz weiterhin bestmögliche Betreuung zu ermöglichen. Um die Effizienz und Bezahlbarkeit des Systems zu verbessern, müssten Standards in allen Bereichen auf den Prüfstand, unterstrich Dr. Heinrich. Die Gesellschaft müsse sich von der „Lebenslüge“ verabschieden, dass der Staat jedem in jeder Situation helfen und die Probleme lösen könne. Der Sozialstaat sollte seine Leistungen stattdessen kraftvoll auf diejenigen konzentrieren, die tatsächlich auf Hilfe angewiesen sind.
Gemeinsam mit den Vertretern von Schule und Träger diskutierte der Bezirkstagspräsident u. a. Einsparpotenziale im Bereich der Schulbegleitung. Diese ambulante Form der Eingliederungshilfe soll jungen Menschen die gleichberechtigte Teilhabe am Unterricht und damit Inklusion ermöglichen. Im Rahmen einer – v. a. an den Regelschulen verbreiteten – Individualbetreuung werden jedoch große personelle Kapazitäten gebunden und zugleich erhebliche finanzielle Mittel aufgewendet. Dr. Olaf Heinrich sprach sich daher für Pool-Lösungen aus, um das System effizienter und kostengünstiger zu gestalten und berief sich hierbei auch auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Gemäß einer aktuellen Studie sei die Schulbegleitung grundsätzlich ein sehr effektives Instrument, sie werde aber inflationär eingesetzt, was dazu führe, dass in manchen Klassen teils mehr als eine Hand voll erwachsene Begleiter Platz nehmen. Dies sei objektiv betrachtet jedoch in den wenigsten Fällen tatsächlich notwendig und sinnvoll.
Auch Schulleiterin Julia Lorenz gab zu bedenken, dass die personellen Bedarfe der Schulbegleitung von der Behinderungsart sowie den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen abhängen. Im Bereich der Förderschulen hätten Schulleitung und Lehrkräfte die Möglichkeit einzuwirken und im Dialog mit den Eltern einen sinnvollen Betreuungsschlüssel festzulegen. Dies sei auch an Regelschulen vertretbar, so Lorenz. Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich stellte daher den Rechtsanspruch auf individuelle Schulbegleitung in Frage. Das Recht auf Schulbegleitung solle unbedingt erhalten bleiben, allerdings soll nicht mehr jedem Schüler ein individueller Betreuer zur Seite gestellt werden.
Auch im Bereich der Wohnheime für Menschen mit Behinderung schlagen die Entwicklungen des demographischen Wandels sowie des Fachkräftemangels zunehmend durch. Wegen des flächendeckenden und weiter zunehmenden Personalmangels können die ohnehin knappen Wohnheimplätze oftmals nicht mehr belegt werden, berichtete Trägervertreter Florian Kasparak. Man müsse daher die Frage stellen, ob eine Absenkung der Fachkraftquoten und eine Erhöhung der Maximalgröße der Wohnheime der Eingliederungshilfe nicht unumgänglich sei, um die bestehenden Bedarfe weiter bedienen zu können. Problematisch sei hierbei, dass die Einrichtungen oftmals auf Zuschüsse von der „Aktion Mensch“ angewiesen sind und diese nur Wohnheime mit einer vergleichsweise kleinen Belegungszahl fördern. Dr. Olaf Heinrich nahm auch diese Anregung auf und verwies abschließend auf die Intention der Bezirke, das Sozialsystem pragmatisch optimieren zu wollen, um einen andernfalls absehbaren Kahlschlag zu verhindern.