Workshop „Digitaltraining“ an der Grundschule St. Wolfgang
„18“, „23“, „83, so alt ist nämlich meine Oma“. Die Kinder der 3. Klasse wissen genau, welches Alter sie angeben müssen, damit sie „Insta“ und „Whatsapp“ herunterladen können. Daniel Wolf, der Medientrainer, berichtet am Abend des 25.10.2023 den Eltern, was ihre Kinder am Vormittag voller Begeisterung erzählt haben. „Ist das nicht gelogen?“ – „Ne, das muss man machen, sonst kann man die App nicht herunterladen.“
Wolf will nicht petzen. Er hat den Kindern versprochen, dass er den Eltern um ihr Vertrauen bittet. Und, dass ihnen die Eltern das Smartphone nicht wieder abnehmen. Denn über die Hälfte der Eltern der Drittklässler hat ihren Kindern schon ein eigenes Smartphone in die Hände gedrückt. Davon wiederum die Hälfte darf das Wisch-Handy auch mit ins Bett nehmen, angeblich als „Wecker“. Der Medientrainer macht den Eltern aber eines klar: Ihre Kinder nutzen Smartphone und Co. ganz anders, als das die Generation tut, die noch ohne Smartphone aufgewachsen ist: „Sie haben Ihrem Kind ein mächtiges Instrument in die Hand gegeben. Und die Kinder wollen damit nur eines: Spaß.“ Wolf ergänzt: „Wissen Sie noch, was Sie wollten, als Sie so alt waren? Genau: Spaß.“ Und das Smartphone ist ein pausenloser Spaßgenerator.
Daniel Wolf ist seit dem Jugendalter an technikaffin. Er war Journalist für das Computermagazin „Chip“, hat lange im Silicon Valley gearbeitet und ist außerdem ausgebildeter Gymnasiallehrer. Heute bietet er mit der Firma „Digitaltraining“ Workshops in Schulen an – für Schüler, Lehrer und Eltern. Als Vater von drei Buben weiß er genau, was es bedeutet, wenn die Kinder quengeln: „Papa, alle haben ein Smartphone. Nur ich nicht.“
„Niemals werden auf Klassenchats Hausaufgaben besprochen, niemals.“ Wolf zerstört ein weiters Vernunftargument für das Smartphone. „Der Klassenchat blüht nachts auf: um 22 Uhr, 23 Uhr, 24 Uhr, 1 Uhr, 2 Uhr – ja, auch in dieser Schule manchmal bis 5 Uhr.“ Und Wolf weiß, warum. „Whatsapp“ ist so konstruiert, dass es das Bedürfnis des Menschen nach sozialer Beteiligung nicht befriedigt, sondern immer mehr steigert: ding, ding, ding. Die Folge: Immer mehr Kinder in der Schule, die die Augen nicht mehr aufbekommen.
Im Rahmen des Workshops bespricht Wolf mit den Eltern bei den Kindern beliebten Apps. Zu diesen zählen neben den genannten vor allem „Youtube“, „Tiktok“, „Snapchat“ und „Insta“. Er betrachtet diese Apps auf witzige Art und Weise aus der Sicht der Kinder. „Yeah, ja“ hatten die Kinder geschrien, als der Medienberater ihnen am Vormittag Bilder der beliebtesten Insta- und Youtube-Stars gezeigt hatte. Bei den Eltern lösen die Abbildungen eher Schulter-Zucken aus: Kenne ich nicht. Alle diese Apps bedienen wichtige Bedürfnisse, z.B. nach Vorbildern oder nach Anerkennung. Als er auf die Gefahren eingeht, wird Wolf ernst: Haltungsschäden, Lernschwierigkeiten, Mobbing, Grooming, Sucht. Wolf berichtet Erschreckendes: Die Hälfte der Kinder kennt Horrorfiguren aus Schock-Buster wie „Es“. Und sie kennen die Schlüsselszenen. „Ich erspare Ihnen die Details.“ Auf „Youtube“ kursieren die Horror-Schnipsel weltweit immer da, wo gerade Nacht ist.
Wolf will aber kein Technikskeptiker sein: „Bitte, bitte, nehmen Sie Ihrem Kind das Smartphone nicht wieder ab.“ Denn er sieht auch die positiven Seiten. Familienapps ermöglichen es, dass Familien besser zusammenhalten, erwiesener Maßen besonders dann, wenn die Großeltern mit dabei sind. Der Umgang mit der digitalen Technik bereitet die Kinder außerdem auf die digitale Zukunft vor. Doch Wolf empfiehlt den Eltern einige Maßnahmen. Die richtigen Jugendschutzeinstellungen sind wichtig, z.B. auf der „Fritzbox“. Er zeigt den Erziehungsberechtigten, wo sie im Netz „Handyverträge“ finden können. „Schenken Sie Ihrem Kind das Smartphone nicht, leihen Sie es ihm. Mit Vertragsbedingungen.“ Ganz wichtig ist Wolf auch, dass die Eltern sich für das interessieren, was die Kinder am Smartphone machen. Eltern sollen mit ihren Kindern über Chatverläufe, Insta-Posts und Handyspiele reden, sich viel zeigen lassen und auch mal mitmachen. „Das ist Arbeit“, konstatiert der Medienberater, „Erziehungsarbeit.“ Die Vorbildfunktion sei eminent wichtig. „Wenn die Kinder sehen, dass Sie Ihr Handy mit ins Schlafzimmer nehmen, wer will Ihnen verübeln, dass sie das auch machen wollen?“ Wolf empfiehlt eine Familien-Ladestation: Alle Mobiltelefone und Endgeräte werden da abends angeschlossen und laden über Nacht. In der Zwischenzeit ist Sendepause. Das Wichtigste sei aber ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Kindern, damit sie auch kommen, wenn sie auf dem Handy etwas Verstörendes erlebt haben.
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Foto:
Achim Reinhart