Europaabgeordnete Maria Noichl beim Frauenempfang der Landtagsabgeordneten Ruth Müller zu Gast
„Frauen dürfen nicht mehr übersehen werden“, forderte Europaabgeordnete Maria Noichl aus Rosenheim beim Empfang „Frauen in Europa“. Landtagsabgeordnete Ruth Müller hatte die Spitzenkandidatin der bayerischen SPD bei der Europawahl eingeladen. Noichl ist eine engagierte Streiterin für Frauenrechte. Seit zehn Jahren lädt die Landtagsabgeordnete im Rahmen des Internationalen Frauentags zu abwechslungsreichen Abenden ein, um frauenpolitische Themen aus verschiedenen Gesichtspunkten zu beleuchten.
Noichl nannte als einen von mehreren Meilensteinen der Frauenbewegung, dass die Mitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (aus der sich später die Europäische Union entwickelte) schon 1957 beschlossen, dass Frauen und Männer gleich sind und gleich bezahlt werden müssen. Zu dieser Zeit waren die Frauen in Deutschland noch gesetzlich zur Haushaltsführung verpflichtet und durften nicht ohne das Einverständnis des Ehemannes eine Arbeit aufnehmen. Das änderte sich erst 1977.
Gerade die schlechtere Bezahlung gegenüber Männern führe nach wie vor zu einer Abhängigkeit von Frauen. Den Mindestlohn bezeichnete Noichl deshalb als eine der „größten feministischen Taten in Deutschland“, der auch auf europäischer Ebene für mehr Gerechtigkeit sorge. Noichl ist auch die Bundesvorsitzende der SPD Frauen und hätte Arbeitsminister Hubertus Heil für seine Bemühungen um den Mindestlohn am liebsten zum „Ehrenmitglied“ der SPD Frauen gemacht, wie sie mit einem Schmunzeln feststellte.
Noch immer lässt die Gleichberechtigung – ganz gleich ob in Deutschland oder in Europa – zu wünschen übrig. In Rumänien sei es nicht selten, dass eine Anzeige wegen Vergewaltigung von der Polizei nicht aufgenommen werde. Und in Griechenland liegt derzeit ein Gesetzentwurf vor, der es vielen Frauen ganz unmöglich machen könnte, Anzeige zu erstatten, da dazu in Zukunft eine Verwaltungsgebühr erhoben werden soll. In Großbritannien waren viele Gesetze zur Gleichstellung der Geschlechter auf Basis der europäischen Rechtsgebung erlassen worden. Um Frauen nach dem Brexit nicht im Regen stehen zu lassen, mussten daher im Eilverfahren neue Gesetze her. Krisen träfen im Zweifel immer zuerst die Frauen, betonte Noichl. Die Gesellschaft bevorzuge häufig die Männer, „weil es immer schon so war“.
Noichl beobachtet mit Sorge, dass in immer mehr Ländern rechtsradikale Parteien an die Macht kämen und dann versuchen, gleichstellungspolitische Errungenschaften zurückzudrehen. In Polen sei die PiS-Regierung beispielsweise gegen Homosexualität und den Sexualkunde-Unterricht vorgegangen – mit weitreichenden Folgen für Lehrkräfte: Fünf Jahre Gefängnis drohen, wenn das nicht befolgt werde – also länger als ein Vergewaltiger. „Hier entsteht ein Klima der Angst“, sagte Noichl. Vielfach nutzten Rechte auch andere Wörter und sprächen nicht mehr von „Frauen“, sondern nur noch von „Müttern“. Das bedeute, dass eine Frau nur dann wertvoll sei, wenn sie Mutter ist. „Frauen dürfen nicht ausschließlich als Mütter gesehen werden“, forderte Noichl. Mittel für Frauenhäuser werden gekürzt, häusliche Gewalt werde wieder als „privat“ gesehen und damit toleriert. Sie betonte: „Wo die Rechten an der Regierung sind, werden als erstes die Rechte von Frauen beschnitten“. Deshalb sei es so wichtig bei der Europawahl am 9. Juni nur demokratische Parteien zu wählen. Mit einem Zitat des AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl machte sie deutlich, welches Gedankengut hier vorherrsche, wenn öffentlich darüber nachgedacht werde, „junge Frauen zu mustern und sie zur Eizellen-Abgabe zu verpflichten, um die deutsche Demografie zu stabilisieren“.
Schon seit vielen Jahren fordert Müller, dass Frauen in der Politik mehr Verantwortung bekommen. Und immer wieder ernte sie Zustimmung, wenn sie sagt, dass Frauen auch Frauen wählen müssten, wenn sich etwas ändern soll. Allein: die Frauen tun es nicht. Wenn sie sich bei der Landtagswahl daran erinnert hätten, wäre der Frauenanteil nicht erneut gesunken – auf nur noch 25 Prozent. Von den 203 Landtagsabgeordneten sind nur 51 Frauen. 28 davon kommen von der SPD und den Grünen. Das heißt, dass von den 152 Abgeordneten der anderen Parteien nur noch 23 Frauen sind. „Das kommt davon, wenn man Männer wählt“, betonte Müller und verband damit die Hoffnung, dass die Frauen bei der Europawahl den Blickwinkel auf die Frauenrechte und die Partizipation von Frauen legen.
Musikalisch umrahmt wurde der Frauenempfang von Pfarrerin Veronika Mavridis und ihrem Mann Dr. Lucas Mavridis am Klavier, mit der Querflöte und der Trompete. Zum Beginn des Abends spielten sie die Eurovisionshymne. Dazu wurden Fotos aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gezeigt. Der Abend endete – anknüpfend an die Visionen Müllers und Noichls für eine bessere Frauenpolitik – mit dem Lied „I have a dream“ von Abba.