Was ICH mir für 2026 von der „GROßEN POLITIK“ wünsche

Ein persönlicher Essay von Herbert Zelzer

Wenn sich ein Jahr dem Ende zuneigt, kommen die guten Wünsche: Gesundheit, Frieden, Glück, weniger Stress, mehr Zeit. All das wünsche auch ich – mir, meiner Familie, meinen Freunden. Aber darüber hinaus wünsche ich mir etwas, das sich nicht mit einem Vorsatz oder Kalenderblatt erledigen lässt: Ich wünsche mir für 2026, dass Vernunft, Ehrlichkeit und Mut wieder eine größere Rolle spielen – in der Politik, in unserer Gesellschaft und bei jedem Einzelnen von uns.

Ich beobachte die Entwicklungen unseres Landes seit Jahrzehnten, mit wachem Interesse und manchmal mit wachsender Sorge. Ich war nie Parteisoldat, habe viele Richtungen erlebt – von links bis konservativ, von liberal bis wertorientiert. Ich nenne mich heute sozial-liberal und wertkonservativ. Ich glaube an Freiheit, aber auch an Verantwortung. An Leistung, aber auch an Fairness. Und daran, dass es ohne Maß und Mitte kein Miteinander gibt.

Politik braucht wieder Realitätssinn und Mut zur Wahrheit

Deutschland ist müde geworden – politisch und geistig. Wir reden uns von Krise zu Krise, verlieren aber den Mut, Dinge wirklich anzupacken. Statt Lösungen zu suchen, pflegen wir Empörung. Statt Debatten zu führen, ziehen wir Grenzen. Statt Realität zu gestalten, flüchten wir in Ideologien.

Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit der AfD. Ich halte nichts von ihren Extremen, aber auch nichts von der selbstzufriedenen „Brandmauer“-Rhetorik. Sie mag moralisch richtig klingen, politisch ist sie falsch. Eine Demokratie, die sich weigert, mit gewählten Vertretern überhaupt zu sprechen, überlässt ihnen das Feld der Unzufriedenen. Wer mit 20 Prozent der Wähler nicht mehr reden will, hat schon aufgehört, sie ernst zu nehmen.

Man muss mit der AfD anders umgehen – nicht anbiedern, aber auch nicht ausgrenzen. Rote Linien, ja – aber keine Denkverbote. Wer ernsthaft verhindern will, dass Populisten stärker werden, muss den Menschen zuhören, die sie wählen.

Ideologie darf keine Bremse sein – Vertrauen entsteht durch Ehrlichkeit

Ich wünsche mir für 2026 eine Politik, die wieder den Mut hat, das Naheliegende zu tun. Wir brauchen Reformen – in der Wirtschaft, in der Bildung, in der Gesundheit. Doch jede Entscheidung wird durch Parteitaktik zerrieben, jedes Gesetz durch Ressortegoismen zerredet.

Besonders deutlich wird das beim Umgang mit der Opposition: Vor der Wahl stellt die Union Anträge, die sachlich richtig sind – die Ampel lehnt sie ab. Nach der Wahl bringt die AfD denselben Antrag ein, wortgleich, und plötzlich lehnt ihn die Union ab – nur weil er von der „falschen“ Seite kommt. Das ist nicht Prinzipientreue, das ist politische Schizophrenie. Und es ist ein Vertrauenskiller.

Menschen spüren, wenn Politik zur Taktik verkommt, wenn nicht das Argument zählt, sondern das Absenderlogo. So verspielt man Glaubwürdigkeit – und am Ende auch Vertrauen in die Demokratie selbst.

Ich bin ein Befürworter einer Minderheitsregierung. Sie zwingt zum Argument, nicht zur Ideologie. Wer überzeugen will, muss Mehrheiten finden – im Parlament, nicht im Koalitionsvertrag. In Skandinavien funktioniert dieses Modell seit Jahren, weil man dort Politik als Suche nach Lösungen begreift, nicht als Verwaltung von Besitzständen.

Gesundheit ist das Nadelöhr der Menschlichkeit

Kaum ein Bereich zeigt so deutlich, wie sehr sich Deutschland verrannt hat, wie die Gesundheitspolitik. Es ist ein Skandal, dass Patienten auf Facharzttermine monatelang warten müssen, dass Krebspatienten ein Jahr auf Bestrahlung hoffen und Pflegekräfte überlastet sind, während Bürokratie blüht.

Gesundheit ist kein Luxusgut, sondern Fundament jeder Gesellschaft. Wir haben ein gut gemeintes, aber krank organisiertes System: zu viele Regeln, zu wenig Verantwortung. Was fehlt, ist nicht Geld, sondern Haltung.

Wir brauchen Mut, Prioritäten neu zu setzen – weg vom Apparat, hin zum Menschen. Die Digitalisierung darf kein Dauerversprechen mehr sein, sondern endlich funktionieren. Ich wünsche mir ein Gesundheitssystem, das Vertrauen schenkt, nicht Misstrauen verwaltet.

Versorgung auf dem Land ist genauso wichtig wie in der Großstadt. Und wer krank ist, braucht Nähe, nicht ein Callcenter. Gesundheit darf kein Glücksfall sein, sondern muss wieder eine verlässliche Säule unseres Lebens werden.

Bürokratie lähmt das Land – Mut zum Machbaren

Wer in Deutschland etwas aufbauen will, braucht Geduld und einen langen Atem. Wir haben ein Land geschaffen, das Sicherheit verspricht, aber Stillstand produziert.

Früher sprach man vom „Land der Dichter und Denker“. Heute sind wir das Land der Formulare, Fristen und Freigaben. Kaum eine Idee, die nicht an Paragrafen hängen bleibt. Kaum ein Projekt, das nicht in Genehmigungen versandet.

Bürokratie ist längst keine neutrale Ordnung mehr, sondern eine Mentalität geworden. Man fürchtet Fehler mehr als Versäumnisse. Doch Fehler kann man korrigieren – Versäumnisse kosten Zukunft.

Ich wünsche mir ein Deutschland, das wieder an das Machbare glaubt. Weniger Formulare, mehr Vertrauen. Weniger Vorschriften, mehr Verantwortung. Fortschritt entsteht nicht durch Verwaltung, sondern durch Menschen, die handeln, statt auf Genehmigung zu warten.

Wirtschaft braucht Rückenwind und Vertrauen in Leistung

Der Mittelstand ist das Herz unserer Republik. Er schafft Arbeitsplätze, bildet aus und trägt Verantwortung – in Familienbetrieben, Handwerksfirmen, Start-ups und Industrieunternehmen. Und doch hat man den Eindruck, dass er in der politischen Wahrnehmung nur noch als „Steuerzahler“ oder „Klimasünder“ vorkommt.

Viele Unternehmer fühlen sich im Stich gelassen: von Gesetzen, die lähmen statt beflügeln, und von Vorgaben, die Kontrolle versprechen, aber Vertrauen zerstören. Das Rückgrat unserer Wirtschaft droht zu verkrampfen, weil es sich ständig gegen neue Lasten stemmen muss – steigende Energiepreise, überbordende Bürokratie und ein Fachkräftemangel, der längst strukturell ist.

Die Energiepolitik ist zu einem Dauerexperiment geworden – und die Unternehmen sind die Versuchskaninchen. Kurz vor der Wahl sagten Söder und Merz noch: „Nach der Wahl nehmen wir als Erstes ein paar Milliarden in die Hand und aktivieren die verbliebenen Kernkraftwerke wieder.“ Nach der Wahl sprengen sie genau diese Kraftwerke. Was soll man davon halten? Während Strompreise europaweit Spitzenreiter sind, geraten Produktion und Handwerk zunehmend unter Druck. Energie darf kein Standortnachteil sein, sonst wandern Betriebe ab – und das nützt weder dem Klima noch dem Land.

Auch die Steuerpolitik braucht neuen Realismus. Hohe Abgaben, komplizierte Regeln und ständige Änderungen machen jede Planung zur Zitterpartie. Ich wünsche mir ein Steuersystem, das einfach, gerecht und verlässlich ist – eines, das Erfolg nicht misstrauisch beäugt, sondern als Motor der Gesellschaft begreift.

Wirtschaft ist keine kalte Mathematik, sondern gelebte Verantwortung. Gerade die vielen mittelständischen Betriebe stehen für Beständigkeit, Handschlagqualität und Loyalität gegenüber Mitarbeitern und Region. Diese Werte verdienen Rückhalt, nicht Misstrauen.

Ich wünsche mir für 2026 eine Politik, die Leistung anerkennt, Unternehmertum ermutigt und Verlässlichkeit schafft. Ein Land, das seine Leistungsträger misstrauisch beäugt, verliert irgendwann auch jene, die seine Zukunft gestalten könnten

Medien und Meinungsfreiheit brauchen Rückgrat und Distanz

Ein Thema, das mir zunehmend Sorgen macht, ist die Diskussionskultur. Wir haben verlernt, zuzuhören. Wer eine abweichende Meinung äußert, läuft Gefahr, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden.

Medien, die früher Orte des Diskurses waren, verengen sich oft zu Echokammern. Es scheint, als ginge es weniger um Erkenntnis als um Bestätigung.

Journalisten sollten wieder stärker unterscheiden: zwischen Bericht und Meinung, zwischen Information und Interpretation. Ich war immer ein Freund des klaren Ausdrucks – aber Meinung gehört in den Kommentar, nicht in den Bericht. Diese Trennung war einmal ein Grundpfeiler journalistischer Glaubwürdigkeit – und sie sollte es wieder werden.

Die sogenannten Hauptstadtmedien haben vielerorts den Kontakt zur Mehrheit der Bevölkerung verloren. Wenn Journalismus seine Distanz verliert, verliert er seine Glaubwürdigkeit.

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich fragen, ob er in seiner heutigen Form noch seiner Aufgabe gerecht wird. Er braucht Reformen – finanziell, organisatorisch und geistig. Ein ÖRR, der Vertrauen zurückgewinnen will, muss Vielfalt nicht nur abbilden, sondern zulassen.

Demokratie ist kein Wohlfühlraum, sondern ein Übungsfeld für Streitkultur. Nur dort, wo Widerspruch möglich ist, kann Wahrheit wachsen.

Bildung muss wieder fordern, fördern und integrieren

Wer Zukunft will, muss sie ausbilden. Doch unser Bildungssystem steckt fest: Lehrkräftemangel, überforderte Schulen, Bürokratie statt Begeisterung.

Ich wünsche mir für 2026 eine Bildungspolitik, die wieder Leistung und Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. Nicht jeder muss ein Überflieger sein, aber jeder sollte wissen, dass Bildung Anstrengung bedeutet – und dass sich diese Anstrengung lohnt.

Es kann nicht sein, dass in vielen Grundschulen die Mehrheit der Kinder kaum Deutsch spricht. Das ist kein Vorwurf an die Kinder – sondern ein Versäumnis des Staates. Ohne Sprache gibt es keine Teilhabe, und ohne Teilhabe keine Integration.

Wir müssen wieder mehr fordern, nicht weniger. Leistung ist kein Druckmittel, sondern ein Weg zur Selbstachtung. Denn wer Lernen ernst nimmt, nimmt auch das Leben ernst.

Außenpolitik beginnt zu Hause – Glaubwürdigkeit durch Vorbild

Ich wünsche mir Politikerinnen und Politiker, die weniger reisen und mehr entscheiden. Die nicht in Peking, Brüssel oder New York über Demokratie dozieren, während sie zu Hause Reformen vertagen.

Deutschland hat viel Energie darauf verwendet, die Welt zu belehren – und zu wenig, um die eigenen Probleme zu lösen. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Reden, sondern durch Vorbild.

Ich wünsche mir eine Außenpolitik mit Maß und Realitätssinn: eine Politik, die europäische Interessen wahrt, ohne sich in moralischer Selbstzufriedenheit zu verlieren. Stärke liegt nicht in Lautstärke, sondern in Verlässlichkeit. Nur wer im Inneren stabil ist, kann nach außen glaubwürdig handeln.

Gesellschaft lebt vom Mitmachen – Verantwortung im Kleinen

Bei all den großen Themen dürfen wir eines nicht vergessen: Eine Gesellschaft funktioniert nur, wenn jeder bereit ist, im Kleinen Verantwortung zu übernehmen.

Verantwortung beginnt nicht im Ministerium, sondern im Alltag – im Umgang miteinander, in Familie, Beruf, Verein, Ehrenamt. Ich wünsche mir für 2026, dass wir wieder mehr miteinander sprechen, statt übereinander. Dass wir andere Meinungen nicht verurteilen, sondern verstehen wollen. Vielfalt braucht Toleranz – und Toleranz beginnt mit Zuhören.

Gesellschaft entsteht nicht durch Gesetze, sondern durch Haltung. Wenn jeder nur auf den Staat zeigt, aber niemand Verantwortung übernimmt, dann verarmt ein Land – moralisch, nicht finanziell.

Zusammenhalt beginnt nicht mit Programmen, sondern mit Menschen, die hinschauen, helfen, zuhören. Nur dort, wo Verantwortung im Kleinen gelebt wird, kann das Große gelingen.

Mein Wunsch für 2026 – Vernunft, Mut und Vertrauen

Ich wünsche mir ein Deutschland, das wieder Mut zur Mitte hat. Ein Land, das Lösungen sucht, statt Schuldige. Ein Land, das Fehler eingesteht, statt sie zu vertuschen. Ein Land, das Verantwortung nicht abschiebt, sondern übernimmt.

Ich wünsche mir eine Politik, die den Menschen wieder zuhört – nicht den Schlagzeilen. Eine Gesellschaft, die Leistung achtet, aber Mitgefühl nicht vergisst. Und Bürger, die bereit sind, sich einzumischen, statt nur zuzusehen.

2026 sollte das Jahr werden, in dem Vernunft wieder lauter wird als Ideologie. In dem Mut wichtiger ist als Moralgehabe. Und in dem wir begreifen, dass Demokratie nicht perfekt ist – aber das Beste, was wir haben.

Wenn wir wieder Vertrauen wagen – in die Politik, in die Medien, in uns selbst – dann kann vieles gelingen. Nicht durch Parolen, sondern durch Haltung. Nicht durch Spaltung, sondern durch Gespräch.

Denn am Ende ist Veränderung nichts, das „die da oben“ tun. Veränderung beginnt immer bei uns.

Nur wer sich bewegt, verändert etwas. Und wer sich verweigert, wird verändert.

 

Foto: Zelzer priv.

 

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