Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich zum Jahresgespräch bei Ärztlichem Direktor Prof. Dr. Hermann Spießl
Landshut. Über 10 000 Menschen haben im Jahr 2023 laut statischem Bundesamt in Deutschland ihr Leben durch einen Suizid beendet. Das entspricht mehr als 27 Menschen pro Tag. Die Suizidprävention ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben der Psychiatrie. Besonders vulnerabel sind Menschen, die nach einem stationären Aufenthalt in ihren Alltag zurückkehren. Das sagt Prof. Dr. Hermann Spießl, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses (BKH) Landshut. In seinem Jahresgespräch mit Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich in Landshut stellte er ein Konzept vor, das Patienten nach deren Entlassung enger begleiten soll. Dadurch, so das Ziel, soll die Rate an Suizidversuchen und Suiziden nach einem Klinikaufenthalt reduziert und die Situation der Betroffenen verbessert werden.
Das BKH Landshut führt das Projekt SAFETY+ zusammen mit dem kbo-Isar-Amper-Klinikum und dem federführenden Bezirksklinikum Mainkofen durch. Wissenschaftlich begleitet wird es von der Ruhr-Universität Bochum, finanziell unterstützt aus Mitteln des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Fördersumme: rund 1,1 Mio. Euro.
Bei dem Projekt besprechen geschulte Fachkräfte gemeinsam mit den Patientinnen und Patienten, die wegen eines Suizidversuchs oder einer suizidalen Krise stationär behandelt werden, sogenannte Sicherheitspläne. Die Pläne beinhalten individuell auf den Patienten zugeschnittene Handlungsoptionen für den Fall einer erneuten suizidalen Krise: Was kann ich im Krisenfall für mich selbst tun? Welche Freunde oder Familienangehörige kann ich kontaktieren? Wo erhalte ich schnell professionelle Hilfe? All diese Fragen klären Patient und Fachkraft noch vor der Entlassung. Außerdem finden nach dem Klinikaufenthalt regelmäßige Nachbesprechungen statt. „Mit dieser Studie wollen wir den Nachweis erbringen, dass diese Pläne zu einer Senkung der Häufigkeit von Suiziden und Suizidversuchen führen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag bei der Suizidprävention“, sagte Prof. Spießl.
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich: „Ein Suizid ist immer eine große Tragödie. Zuerst natürlich für den Betroffen, aber auch die Angehörigen leiden darunter. Die wissenschaftliche Arbeit, die das BKH Landshut und das Bezirksklinikum Mainkofen auf diesem Feld leisten, ist wichtig. Schließlich sollte es nicht nur darum gehen, die Menschen auf der Station zu behandeln, sondern sie auch bei ihrer Rückkehr in den Alltag bestmöglich zu unterstützen. Jeder verhinderte Suizid ist ein Erfolg.“
Neben dem Projekt zur Suizidprävention arbeite man am BKH Landshut seit dem vergangenen Jahr auch an der Implementierung der Leitlinie zur Verhinderung von Zwang in der Psychiatrie im Rahmen eines Zwölf-Punkte-Programms. Die pflegerischen Stationsleiterinnen der beiden an dem Projekt beteiligten, geschützten Stationen – der allgemeinpsychiatrischen Intensivstation und der suchtmedizinischen Akutstation – begleiten dies im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit. Durch das Zwölf-Punkte-Programm sollen Zwangsmaßnahmen und aggressive Übergriffe reduziert werden. „Wir sind das erste Haus, das dieses Zwölf-Punkte-Programm umfassend einführt. Die Fixierung eines Patienten stellt für uns immer die Ultima Ratio dar. Es ist daher sehr wichtig, aktuelle Ergebnisse der medizinischen und pflegerischen Forschung in die Klink zu implementieren, um derartige Maßnahmen so weit wie möglich verhindern zu können“, sagte Prof. Spießl.
Die zwölf Punkte beinhalten neben der standardisierten Erfassung von Zwangsmaßnahmen und aggressiven Übergriffen unter anderem Schulungen der Mitarbeiter in der Deeskalation, eine kontinuierliche Betreuung des Patienten während der Zwangsmaßnahme sowie eine intensive Nachbesprechung im Team und mit den Patienten. Auch die Erstellung eines Aktionsplans für die aggressionsmindernde Gestaltung der räumlichen Umgebung auf der Station gehören zum Programm. Prof. Spießl: „Mit beiden Projekten hoffen wir, über Landshut und Niederbayern hinaus wirken zu können und unseren Teil zur Weiterentwicklung der Psychiatrie zu leisten.“
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich sagte, er begrüße und unterstütze diese Bemühungen. „Unser Ziel ist es, den Menschen in Niederbayern eine richtig gute psychiatrische Versorgung zu bieten. Doch darüber hinaus bemühen wir uns, uns auch an der Forschung zu beteiligen. Solche Leuchtturmprojekte können das Renommee der niederbayerischen Bezirkskrankenhäuser stärken. Und sie passen sehr gut zum Medizincampus Niederbayern, an dem auch das BKH Landshut so zumindest mittelbar mitwirken kann.“