SPD-Landtagsabgeordnete Ruth Müller mit der Bundesvorsitzenden der SPD-Frauen, Maria Noichl (MdEP), zu Besuch bei der Landshuter AWO
Der Bedarf an Frauenhausplätzen ist enorm. Deshalb schafft der AWO-Kreisverband fünf zusätzliche Plätze, unter anderem einen rollstuhlgerechten Platz. Das berichtete Geschäftsführer Philipp Buchta beim Besuch von SPD-Landtagsabgeordneter Ruth Müller, die im Frauen-Monat März mit der Bundesvorsitzenden der SPD-Frauen, Maria Noichl, MdEP, zu Gast war. Für die SPD im Landkreis Landshut war Christel Engelhard und als Vertreterin der SPD-Stadtratsfraktion war Anja König dabei. Denn finanziert werden die zehn Frauenhausplätze der AWO und der Caritas in Landshut auch aus den Mitteln der Kommunen im Einzugsgebiet. Das sind nicht nur Stadt und Landkreis Landshut, sondern auch die Landkreise Dingolfing-Landau und Rottal-Inn.
Noichl betonte, dass man den ländlichen Raum nicht vergessen dürfe. Auch hier müssten Frauenhausplätze vorgehalten werden, vor allem barrierefreie. Zudem brauche es Plätze für Frauen mit älteren Söhnen und für Frauen mit psychischen Erkrankungen – all das sei in Bayern viel zu wenig umgesetzt.
Ruth Müller ist es ein Anliegen, Fragestellungen wie diese immer wieder in die Öffentlichkeit zu transportieren, damit mehr Frauen über Frauenhäuser Bescheid wissen und sich im Notfall vertrauensvoll dorthin wenden. Schon 2017 habe allerdings eine bayernweite Studie gezeigt, dass es rund ein Drittel zu wenig Frauenhausplätze gibt. Auch das müsste man laut Müller immer wieder ansprechen. Rückmeldungen wie die von Buchta und Erzieherin und Sozialpädagogin Gerlinde Pitsch bestätigen den hohen Bedarf. Trotzdem sei es unerlässlich, das Angebot bekannt zu machen. Pitsch betonte, dass sie und ihre Kolleginnen gerne mit der Aufklärung in der Grundschule ansetzen würden. In der dritten und vierten Klasse sei ein guter Zeitpunkt dafür, denn die Kinder würden beginnen zu hinterfragen was „normal“ ist und beginnen sich zu vergleichen. Hier könnte man auffällige Familiensituationen erkennen und präventiv aufklären.
„Wir brauchen mehr Opferschutz“, betonte Maria Noichl. Neben den Müttern, die körperliche oder psychische Gewalt erfahren, sollen künftig auch Kinder, die Gewalt miterlebt haben, als Opfer angesehen werden. Dafür habe sie sich bei der Revision der EU-Opferrechtsrichtlinie eingesetzt. Für die Mitarbeiterinnen in den Frauenhäusern könnte sich aus einer möglichen Gesetzesänderung eine neue Herangehensweise ergeben, weil nicht mehr nur die Mütter als Opfer angesehen werden, und sich so nicht nur das Aufgabenfeld, sondern auch die finanzielle Herausforderung vergrößert.
Größtes „Nadelöhr“ bei der Belegung der Frauenhausplätze ist die Weitervermittlung von Frauen in bezahlbare Wohnungen. Gerade bei Frauen mit einer psychischen Erkrankung oder Sucht sei dies in Anbetracht des ohnehin angespannten Wohnungsmarktes eine Herausforderung. Eine Hilfe sei hier das Modellprojekt „Second Stage“, das fünf Apartments für Frauen zur Verfügung stellt, die nicht mehr im Frauenhaus wohnen müssen, aber auch noch nicht wieder auf eigenen Füßen stehen können. Anja König freute sich, dass dieses Modellprojekt seit Anfang 2020 in Landshut umgesetzt wird. „Mittlerweile stehen im Stadtgebiet zwei Drei-Zimmer-Wohnungen und drei Zwei-Zimmer-Wohnungen zur Verfügung“, berichtete König.
Immer öfter haben Gerlinde Pitsch und ihre Kolleginnen mit Frauen zu tun, die Opfer von psychischer Gewalt sind. Dabei stammen die meisten körperlichen Symptome inzwischen nicht mehr von körperlicher Gewalt, sondern von seelischer Gewalt. Beispielsweise komme es zu einer Wieder-Traumatisierung, wenn Frauen ihre Kinder zum Umgang an ihren Ex-Partner übergeben müssen. Eine zunehmende Herausforderung sei zum Beispiel auch Stalking, das mit Spähsoftware auf dem Handy inzwischen kinderleicht sei. Hier lernen die Sozialpädagoginnen ständig dazu, betonten Pitsch.
Hier berichtete Noichl, die als Bundesvorsitzende der SPD-Frauen, aber auch als Europaabgeordnete die Situation aus anderen Bundesländern und Ländern kennt, von einem spannenden Ansatz aus Österreich: Dort findet der betreute Umgang am Wochenende in Kindergärten statt. So sei es möglich, dass Mutter und Vater sich bei der Übergabe des Kindes nicht begegnen und es bedarf auch weniger Personal, um Kinder und Väter in Gruppen zu beaufsichtigen. Philipp Buchta war begeistert von diesem Modell und meinte, dass sich dafür sogar Ehrenamtliche finden ließen, die hauptamtliche Erzieher oder Sozialpädagogen bei der Aufsicht unterstützen. An solch positiven Ansätze, die in Trennungssituationen möglichst reduzierte Kontaktflächen ermöglicht, hätte die Gesellschaft sicherlich ein Interesse. Die Infrastruktur stünde schon bereit. Auch fiele es vielen Vätern oder umgekehrt auch Müttern bestimmt leichter, mit ihrem Kind Teil einer Gruppe zu sein, als alleine unter ständiger Beobachtung einer Aufsichtsperson.