„NEIN, SOZIALDEMOKRATIE IST NICHT UNCOOL!“

Rote Politik aus Liebe zur Heimat – 150 Jahrfeier der Landshuter SPD am Samstag, 12.8., im Stadel der Tafern-Wirtschaft Schloss Schönbrunn. Bereits im Jahr 1871 wurde der Verein gegründet, so dass schon mehr als 150 Jahre zu feiern gewesen wären. Corona hat leider das „Feierlichkeitsdatum“ verschoben.

„Heute ist es endlich so weit“, rief die Stadtverbandsvorsitzende der SPD Patricia Steinberger voller Freude in den Stadel und begrüßte ihre Genossen und Genossinnen, Freunde der SPD, sowie ihre Funktionärskollegen und –Kolleginnen, wie die Stadtratsfraktionsvorsitzende und Kandidatin für die Bezirkswahl, Anja König, und ihren Stellvertreter und Kandidaten für die Bundestagswahl, Vincent Hogenkamp, zur Feier des 150. Geburtstages der Landshuter Sozialdemokratie. Ein besonderer Gruß erging an den Festredner, dem ehemaligen Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg und ehemaligen Vorsitzenden des Städtetags: Uli Maly.

„150 Jahre plus 2 müsste man eigentlich feiern“, doch Corona hat uns 2021 bei unseren Feierlichkeiten etwas ausgebremst, aber in 150 Jahren der Sozialdemokratie – nicht nur in Landshut – gab es viele Situationen, in denen die Genossinnen und Genossen ausgebremst, verboten und sogar verfolgt wurden, weil sie sich für unsere Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit/Solidarität eingesetzt haben, so Steinberger.

„Freiheit bedeutet die Möglichkeit, selbst bestimmt zu leben. Jeder Mensch sei zur Freiheit berufen und befähigt. Er muss frei sein von entwürdigenden Abhängigkeiten, von Not und von Furcht, und er muss die Chance haben, seine Fähigkeiten zu entfalten und in Gesellschaft und Politik verantwortlich mitzuwirken. Nur wer sich sozial ausreichend gesichert weiß, kann seine Freiheit nutzen.

Die Freiheit des Einzelnen endet, wo sie die Freiheit des Anderen verletzt.

Gerechtigkeit gründet in der gleichen Würde jedes Menschen. Sie bedeutet gleiche Freiheit und gleiche Lebenschancen, unabhängig von Herkunft oder Geschlecht. Also meint Gerechtigkeit gleiche Teilhabe an Bildung, Arbeit, sozialer Sicherheit, Kultur und Demokratie, gleichen Zugang zu allen öffentlichen Gütern. Wo die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen die Gesellschaft teilt in solche, die über andere verfügen, und solche, über die verfügt wird, verstößt sie gegen die gleiche Freiheit und ist darum ungerecht. Daher erfordert Gerechtigkeit mehr Gleichheit in der Verteilung von Einkommen, Vermögen und Macht. Denn große Ungleichheiten in deren Verteilung gefährden die Gleichheit der Lebenschancen. Deswegen ist die soziale Demokratie notwendig.

Gleiche Lebenschancen bedeuten nicht Gleichmacherei. Im Gegenteil: Sie bieten Raum für die Entfaltung individueller Neigungen und Fähigkeiten. Menschen sind und bleiben verschieden. Aber natürliche Ungleichheiten und soziale Herkunft dürfen nicht zum sozialen Schicksal werden. Lebenswege dürfen nicht von vornherein festgelegt sein. Wir wenden uns gegen jede Form von Privilegien oder Benachteiligungen aufgrund der Herkunft, des Standes, der Hautfarbe, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung, der Religion.

Solidarität bedeutet wechselseitige Verbundenheit, Zusammengehörigkeit und Hilfe. Sie ist die Bereitschaft der Menschen, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu helfen. Sie gilt zwischen Starken und Schwachen, zwischen Generationen, zwischen den Völkern. Solidarität schafft Macht zur Veränderung. Solidarität ist eine starke Kraft, die unsere Gesellschaft zusammenhält – in spontaner und individueller Hilfsbereitschaft, mit gemeinsamen Regeln und Organisationen, im Sozialstaat als politisch verbürgter und organisierter Solidarität“, argumentierte die Stadtverbandsvorsitzende Steinberger.

„Nein, Sozialdemokratie ist nicht Uncool.“

„Genau in Zeiten im hier und jetzt, in denen die Schere zwischen arm und reich immer mehr auseinanderklafft; in denen, der eine nicht mehr weiß, welche Immobile, welches Auto usw. er noch kaufen könnte, um den Reichtum zu halten und zu vermehren und die anderen wiederum nicht wissen, wie sie die Tage bis zum Monatsende, bis zur nächsten Gehaltszahlung überbrücken und die Familie satt bekommen sollen. Zeiten, in denen der sogenannte Mittelstand vor einer Zerreißprobe steht. Genau, hier und jetzt braucht es eine starke Sozialdemokratie. Engagierte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die sich wie unsere Vorfahren dafür einsetzen, dass unsere Werte und Grundsätze gelebt und nicht nur gelesen werden. Die SPD sieht sich in der Verpflichtung, diese an die kommenden Generationen weiterzugeben“, meint Steinberger.

Die SPD ist die älteste und traditionsreichste Partei.

Sie stellte sich im Unterschied zum sogenannten bürgerlichen Abgeordneten gegen die Nationalsozialisten und stimmte am 23. März 1933 geschlossen mit den bekannten Worten von Otto Wels „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“ gegen das Ermächtigungsgesetz; drei Monate später wurde sie verboten. Aktivisten und Funktionäre wurden von den Nazis verfolgt, viele starben in Konzentrationslagern und Zuchthäusern.

„Wir dürfen stolz auf die Vergangenheit unserer Partei zurückblicken“ sagt Steinberger, auf eine Partei mit Rückgrat und vielen engagierten und mutigen Menschen, die es möglich gemacht haben, dass wir heute dieses Jubiläum feiern dürfen. Dennoch möchte ich aber an dieser Stelle, im Hinblick auf politische Tendenzen und Entwicklungen, auch sagen: „Wehret den Anfängen!“

„Wir sind dazu aufgerufen uns aktiv dafür einzusetzen, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Das sind wir unseren Vorfahren und den kommenden Generationen schuldig. Damit auch diese in 10, 50 oder 100 Jahren stolz auf unsere Partei und ihre Menschen zurückblicken können“, dazu bekannte sich Patricia Steinberger. Mit einem „Glück auf“, wünschte sie allen Anwesenden nun eine wunderschöne Feier, mit interessanten Gesprächen und Begegnungen, herzlichen Erinnerungen und wundervollen Momenten. „Heute wollen wir feiern: die Vergangenheit, die Gegenwart und eine sozialdemokratische Zukunft“.

MdL und Bayern-Generalsekretärin Ruth Müller, stellte bei ihrer Begrüßung eine Politik aus Liebe zur Heimat in den Mittelpunkt ihrer Rede. 90 Jahre nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten sagt Ruth Müller sehr deutlich ja zur Heimatliebe aber ein klares nein zum Nationalismus. Sie wies auf die Mitglieder der Landshuter SPD hin, die sich während dieser schrecklichen Zeit gegen die Nationalsozialisten gestellt haben. „Unser Kern als SPD ist in Bayern intakt und die SPD ist die letzte Fachkraft für Gerechtigkeit“, so die Generalsekretärin der Bayern SPD.

Der ehemalige Oberbürgermeister von Nürnberg, Ulrich Maly, der als Festredner fungierte, zitierte in seiner Rede den ehemaligen Bundestagsfraktions- und Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel, der begründete, warum die SPD gebraucht werde: weil die Welt nicht so gerecht sei, wie man es sich gerne wünscht. Es sei immer von Nöten, dass eine Partei ihre Grundwerte immer wieder überprüfen und neu definieren müsse, wie es z. Bsp. während der Regierungszeit von Schröder bei der SPD wegen des Krieges in Jugoslawien geschehen sei.

Maly stellte dem SPD-Kanzler Olaf Scholz ein gutes Zeugnis aus. Scholz überdenke seine Entscheidungen immer sehr gründlich und werde deshalb nicht nur speziell von der Opposition als Zauderer und Zögerer hingestellt. Aber deswegen sei Scholz kein schlechter Kanzler, ist sich Maly sicher. Wie so gerne von den Medien dargestellt und beschrieben, sei Scholz nicht gerade als Unterhalter unterwegs. Trotzdem, so weiß Maly, kann Scholz auch sehr unterhaltsam sein.

Die von Scholz vorangetriebene Klimapolitik, so Maly, bedeute nicht, dass eine Transformation stattfinden werde, sondern, dass diese auch durchgeführt werde.

Kein alleiniges deutsches Phänomen sei die Gefahr von rechts, meint Maly. Lediglich 50 Prozent der „Rechtswähler“ seien überzeugt. Die anderen 50 Prozent seien von den Parteien noch zu umwerben.

„Jeder von uns müsse Verfassungsschützer sein“, konstatierte Maly, denn der freiheitliche und säkularisierte Staat lebe von Voraussetzungen, die er nicht garantieren könne.

Die langjährige Stadträtin Ute Kubatschka, Stadtratsfraktionsvorsitzende Anja König und Bundestagskandidat Vincent Hogenkamp gaben in einer Powerpoint Präsentation einen Rückblick in die wechselnde Geschichte der Landshuter SPD. Beinahe hätte die SPD Landshut einen Oberbürgermeister gestellt. Mit 49,04 zu 50,96 Prozent der abgegebenen Stimmen verfehlte Andreas Schlittmeier hauchdünn das Amt eines Oberbürgermeisters.

Nach den Ausführungen der Redner sorgte der Saxophonist Jonathan Lesny für weiter gute Stimmung im Stadel.

-hjl-

Titelbildunterschrift von links:
Stellvertretender Stadtverbandsvorsitzender – Vincent Hogenkamp, Bayern-Generalsekretärin – Ruth Müller, ehemaliger Oberbürgermeister von Nürnberg – Ulrich Maly, Stadtverbandsvorsitzende Patricia Steinberger, AWO-Kreisverbandsvorsitzender – Georg Thurner, Stadtratsfraktionsvorsitzende – Anja König, ehemalige langjährige Stadträtin Ute Kubatschka.
Fotos:
h.j.lodermeier

 

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