Nach dem historischen Erfolg des Volksbegehrens im Februar 2019 wirft der Trägerkreis einen Blick auf Fortschritte und Defizite bei Blühflächen
München/Hilpoltstein, 09.02.2024 – Vor fünf Jahren standen tausende von Menschen in Bayern im Schnee vor den Rathäusern an, um für die Rettung der Wildbienen und Insekten zu unterschreiben. Über 1,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger wollten damit ein Zeichen gegen das Artensterben setzen. Und noch im gleichen und im folgenden Jahr waren plötzlich bayernweit an vielen öffentlichen Stellen und auch in der Agrarlandschaft neue Blühflächen zu sehen. Es schien damals ein Ruck durch den Freistaat zu gehen, initiiert durch das erfolgreichste Volksbegehren in der Geschichte Bayerns. Doch was ist seither aus der Umsetzung der neuen Ziele und Gesetze geworden, welche die Staatsregierung angenommen und an einem Runden Tisch teilweise sogar noch weitergefasst hatte? Zum Auftakt einer Zwischenbilanz nach fünf Jahren Volksbegehren Artenvielfalt – „Rettet die Bienen!“ wirft der Trägerkreis aus ÖDP, LBV, Bündnis 90/Die Grünen und Gregor Louisoder Umweltstiftung (GLUS) als ein erstes Beispiel einen Blick auf Fortschritte und Defizite bei Blühflächen und bei der Bewirtschaftung von öffentlichem Grün. Als positives Exempel gelten Projekte der Landeshauptstadt München, wo durch die Anlage von Blühflächen und die ökologische Bewirtschaftung öffentlicher Grünflächen Lebensräume in der Stadt geschaffen werden.
Agnes Becker, Beauftragte des Volksbegehrens und ÖDP-Landesvorsitzende:
„Vor fünf Jahren haben 1,7 Millionen Menschen der Bayerischen Staatsregierung den Auftrag gegeben, die Artenvielfalt im Freistaat zu fördern. Nach dem Erfolg von „Rettet die Bienen!“ waren bayernweit vielerorts mehr Blühstreifen zu sehen. Mehrjährige Blühflächen können insbesondere in der intensiv genutzten Agrarlandschaft einen echten Mehrwert für die Artenvielfalt leisten. Hier bieten sie Nahrung und Lebensraum für Insekten. Unser Monitoringbericht zeigt, dass die verschiedenen Förderprogramme zur Förderung von Blühpflanzen in der Agrarlandschaft in den letzten Jahren sowohl flächenmäßig als auch hinsichtlich der Fördersummen zugenommen haben. Derzeit ist jedoch ein Abflauen des Interesses an Blühflächen spürbar. Die Anreize müssen hier so gut sein, dass die Förderprogramme auch in landwirtschaftlichen Gunstregionen angenommen werden.“
Dr. Norbert Schäffer, LBV-Vorsitzender:
„Das Volksbegehren hat das Gesicht Bayerns in mehrfacher Hinsicht verändert. Ein Symbol für die Erfolgsgeschichte sind mehr Blühflächen im Freistaat. Im Sommer sind sie wertvoll für die Artenvielfalt und dazu noch schön anzusehen. Besonders wichtig ist jedoch, dass die Blühflächen auch den Winter über stehen bleiben und nicht gemäht werden. Gerade im städtischen Bereich mag dies für manchen befremdlich wirken, da solche Flächen scheinbar unordentlich aussehen. Allerdings überwintern Insekten gerne in und an den Stängeln und Blütenständen. Werden diese Flächen vor dem Winter gemäht, werden sie zu einer regelrechten Falle. Ich möchte daher jede und jeden auffordern, ein wenig Unordnung zu ertragen, und auch im eigenen Garten kleine Blühinseln zu schaffen, die den gesamten Winter über stehen bleiben dürfen, ganz im Sinne der Artenvielfalt.“
Ludwig Hartmann, Vizepräsident des Bayerischen Landtags (Die Grünen):
„Wir brauchen endlich einen echten Biotopverbund, der nachvollziehbar und nachprüfbar ist. Er muss auf Karten dargestellt werden und sollte am besten in Regional- und Flächennutzungspläne übernommen werden. Nur so können wir rechtzeitig verhindern, dass durch den weiteren Flächenfraß der Biotopverbund wieder zerstört und wichtige Biotope weiter isoliert werden: Ein Flickenteppich hilft nicht weiter. Wir brauchen für den Biotopverbund keine Resterampe von Flächen, die keiner braucht und nutzt, sondern einen qualitätsvollen Biotopverbund der wertvolle Spenderflächen mit seltenen und gefährdeten Arten mit anderen geeigneten Lebensräumen verbindet. Der Biotopverbund muss geschützt werden und langfristig bestehen, denn eine auf fünf Jahre begrenzte KULAP-Maßnahme ist nur bedingt geeignet eine vom Aussterben bedrohte Population zu erhalten.“
Claus Obermeier, Vorstand der Gregor Louisoder Umweltstiftung:
„Auch Landkreise und Kommunen sind gefordert, ihre kommunalen Grünflächen entsprechend zu bewirtschaften. Einige Städte und Gemeinden gehen mit gutem Beispiel voran und führen Pilotprojekte zur Förderung der Artenvielfalt durch und stellen ihr Pflegemanagement um. Über den Blühpakt Bayern sind hier viele schöne Initiativen entstanden. Das Praxis-Handbuch für Bauhöfe liefert sehr gute Hinweise für eine insektenfreundliche Bewirtschaftung kommunaler Grünflächen. Jetzt kommt es darauf an, diese Maßnahmen in die Breite zu tragen, um einen echten Effekt für die Artenvielfalt zu erzielen.“
Dr.-Ing. Jeanne-Marie Ehbauer, Baureferentin der Landeshauptstadt München
„München ist sich seiner Verantwortung für die Artenvielfalt und des enormen Wertes der Stadt als Flora- und Faunahabitat sehr bewusst. Bei der Planung und Pflege unserer Parks und aller anderen städtischen Grün- und Freiflächen durch die Expert*innen des Baureferats ist es unser Ziel, das Biodiversitätspotenzial bestmöglich auszuschöpfen. Dafür haben wir die Kapazitäten für die differenzierte Ausgleichsflächen- und Biotoppflege erhöht und aktivieren nach zwei erfolgreichen Pilotprojekten nun sukzessive die ökologische Wirksamkeit des stadtweit 490 Hektar umfassenden Straßenbegleitgrüns “
Fünf Jahre Volksbegehren Artenvielfalt:
Seit fünf Jahren ist der Trägerkreis aus ÖDP, LBV, Bündnis 90/Die Grünen und GLUS im Einsatz für das Volksbegehren Artenvielfalt – „Rettet die Bienen!“. Um dem fortschreitenden Artensterben Einhalt zu gebieten, ist eine rasche und kontinuierliche Umsetzung der Volksbegehrensziele notwendig. Ein Pausieren der Bemühungen angesichts anderer drängender Krisen würde uns Jahre zurückwerfen und Probleme verursachen, die wir nicht mehr rückgängig machen können. Nach dem historischen Erfolg 2019 zieht der Trägerkreis 2024 eine umfassende Bilanz und zum ersten Mal werden alle gesteckten Ziele überprüft. Der LBV beleuchtet darüber hinaus einzelne Beispiele zur Umsetzung der neuen Gesetze. Dabei wird überprüft, wie gut die neuen Gesetze umgesetzt werden, und was sie für die Natur bringen.
Foto: ÖDP Bayern