90 Jahre Ermächtigungsgesetz müssen Mahnung für die Zukunft sein
Im CityDome in Straubing gedachte die SPD dem Landtagsabgeordneten Josef Laumer, der am 29. April 1933 mit 14 weiteren Abgeordneten und einer Frau gegen das Ermächtigungsgesetz im Bayerischen Landtag gestimmt hatte. „Es freut mich sehr, dass Sie sich heute Zeit für unsere Veranstaltung genommen haben, die wahre bayerische Helden in den Mittelpunkt stellt“, mit diesen Worten begrüßte Bezirkstagskandidatin und Stadträtin Gertraud Gruber die Gäste.
„Sie haben im Angesicht von Verfolgung, Folter und Tod der Demokratie mutig Widerstand geleistet und damit bayerische Geschichte geschrieben“, leitete die Generalsekretärin und Landtagsabgeordnete Ruth Müller in den Abend ein. Neben dem Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags, Markus Rinderspacher, MdL, der intensiv über diese Abgeordneten geforscht hat, begrüßte sie die vielen hochrangigen Gäste aus der Politik und alle interessierten Gäste, allen voran den Oberbürgermeister Markus Pannermayr, den Landtagskandidaten der SPD Marvin Kliem, den Landesvorsitzenden der Katholischen Landjugendbewegung Franz Wacker und vor allem den Großneffen von Josef Laumer, Stefan Stankoviec und dessen Urenkel Robert Joringer mit Familien.
In seinem Grußwort bedankte sich der Oberbürgermeister der Stadt Straubing für diese Gedenkveranstaltung an einen Bürger seiner Stadt und betonte anerkennend, „die SPD hat es diesbezüglich im Blut, Haltung zu bewahren und für die Menschenwürde und die Rechte von Anderen einzutreten und zeichnet sich durch diese kompromisslose Haltung vor 90 Jahren besonders aus.“
„Die Sozialdemokratie ist eng mit dem Freistaat Bayern verknüpft, den der erste bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner 1919 ausgerufen hat und die Menschen vom Untertan zum freien Bürger gemacht hat. Geist, Sinn, Charakter und soziale Gerechtigkeit sind seit 130 Jahren in Bayern mit der SPD verbunden“, begann Rinderspacher mit seinem Vortrag. In seiner Zeitreise in das Jahr 1933 führte Markus Rinderspacher anschließend durch das Leben Josef Laumers, „einer von den tapferen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten die unter Lebensgefahr „Nein“ zum Ermächtigungsgesetz vor 90 Jahren gesagt haben“. Laumer, am 18. Februar 1887 in Salching geboren und am 18. Mai 1973 in Straubing gestorben, kam aus sehr einfachen Verhältnissen. Er war Soldat im Ersten Weltkrieg, Maschinenwerker und Landwirtschaftlicher Arbeiter in einem Dampfsägewerk. 1919 wurde er Mitglied in der SPD, hier bekleidete er viele Ämter, vom Vorsitz der Straubinger SPD bis hin zum Landtagsabgeordneten. Der 29. April 1933 war der dunkelste Tag in der parlamentarischen Geschichte Bayerns, das Ermächtigungsgesetz stand zur Abstimmung. Die NSDAP nutzte, wegen der fehlenden Zweidrittelmehrheit, ihre furchteinflößende SA-Truppe, um auf die Parlamentarier im Bayerischen Landtag Druck auszuüben. Nur die Abgeordneten der SPD-Fraktion hielten dem Drohgebärde stand und stimmten mit „Nein“, darunter Laumer, der, wie auch alle anderen, danach seine Ämter verlor und zuerst für 19 Monate in Schutzhaft ins KZ Dachau verbracht wurde. Anschließend wurde er, wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, zu vier Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust verurteilt, auch seine Frau und seine älteste Tochter wurden in Schutzhaft genommen. 1939 wurde er wieder entlassen und durfte Straubing und den bayerischen Osten nicht mehr betreten. Mit seiner Familie zog er nach Frankfurt a.M. und kam erst 1945 wieder zurück, wo er Angestellter bzw. später Beamter des Arbeitsamts Straubing war. Im Oktober 1945 fand die erste SPD-Ortsvereinsversammlung mit 90 Gründungsmitgliedern, davon sieben Frauen, statt. Der aus dem Exil zurückgekehrte und zum Ministerpräsidenten ernannte Sozialdemokrat Wilhelm Hoegner hatte den Auftrag eine Bayerische Verfassung zu erarbeiten. Dafür wurde die Verfassungsgebende Landesversammlung mit 180 Mitgliedern einberufen, der auch Josef Laumer angehörte. „Bemerkenswert ist, dass alle überlebenden Abgeordneten sich nach 1945 wieder demokratische engagiert haben“, resümierte Rinderspacher. Laumer wurde am 1. Dezember 1946 in den Landtag gewählt und war dort bis 1954, bzw. von 1956 bis 1958 Mitglied. Der äußerst spannende und bewegende Vortrag wurde mit großem Applaus belohnt.
Die daran anschließende Talkrunde zur Demokratiefestigkeit moderierte Ruth Müller und stellte die Frage nach neuen Herausforderungen für die junge Generation. Laut einer Umfrage hat fast jeder Zweite Angst seine Meinung zu sagen, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden. Marvin Kliem wies auf diese SPD-Abgeordneten hin, die uns Vorbilder sein müssen „ich sehe darin eine große Gefahr, aus Angst Falsches zu sagen und dann lieber nichts zu sagen, deswegen sollte uns allen der Mut Laumers ein Vorbild, sein, seine Meinung unerschrocken zu vertreten.“
„Welche Rolle und welche Gelegenheiten hat die Jugendarbeit, aufzuklären und demokratische Strukturen einzuüben?“, wollte Müller von Franz Wacker, dem Vorsitzenden der Katholischen Landjugend in Bayern, wissen, „Jugendarbeit soll vor allem Bildungsarbeit leisten und die Jugendlichen lehren, wie man seine Meinung bildet und diese auch vertritt.“
Wie geht man mit Hassbotschaften um und ob sie schon welche bekommen hätten, war die nächste Frage. „Natürlich jede Menge, leider ist es inzwischen Alltag in den sozialen Netzwerken und die Gesetzgebung sollte härter dagegen vorgehen“, so Kliem, „Möglichst widersprechen, soweit es möglich ist“, antwortete Wacker. Der Einführung des Wahlalters mit 16 wurde einvernehmlich zugestimmt. Und auf die Frage nach ihren persönlichen Vorbildern beantwortete Wacker mit den Geschwistern Scholl, die für ihre Überzeugung und ihren Mut ihr Leben lassen mussten. Für Marvin Kliem ist es Louise Schroeder, die die erste Erste Bürgermeisterin nach dem Zweiten Weltkrieg in Berlin war und die ebenfalls 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz in Berlin gestimmt hatte.
Markus Rinderspacher appellierte: „Lasst uns heute in der SPD und in der Gesellschaft so arbeiten, dass ein Josef Laumer stolz auf uns wäre!“ Ruth Müller bedankte sich bei allen für diesen großartigen Abend und die Erinnerung an diese bayerischen Helden.
Foto:
Hanna Reiseck