Scheunen und Stadel – historische Baukultur im 21. Jahrhundert

Experten für Heimat- und Denkmalpflege tauschen sich bei Fachtagung im Freilichtmuseum Massing aus

Massing. Am heutigen Freitag fand der Auftakt der zweitägigen Fachtagung „Denk Mal an Scheunen und Stadel! Pflege historischer Baukultur im 21. Jahrhundert“ im Freilichtmuseum Massing statt. Veranstalter sind der Bayerische Landesverein für Heimatpflege e. V. und das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in Zusammenarbeit mit dem Denkmalnetz Bayern und der Katholischen Erwachsenenbildung Rottal-INN-Salzach.

„Ländliche Baukultur ist maßgeblich geprägt von den Lebensweisen und der Art der Landbewirtschaftung der ansässigen Bevölkerung sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. All dies formt unsere Kulturlandschaften und vermittelt Identität und Zugehörigkeitsgefühl“, begrüßte Dr. Olaf Heinrich, Bezirkstagspräsident von Niederbayern und Vorsitzender des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, rund 70 politische Entscheidungsträger, Heimatpfleger und Planer. „Viele große Drei- und Vierseithöfe und auch kleinbäuerliche Anwesen haben ihren ursprünglichen Verwendungszweck verloren, stehen leer und befinden sich oft in schlechtem baulichen Zustand“, beschrieb Heinrich den Status Quo in der Region. „Um die alten Höfe sinnvoll und respektvoll nutzen zu können, müssen deshalb auch Veränderungen im Sinne einer zeit­gemäßen Weiterentwicklung möglich sein“. Überliefertes Kulturgut solle durch neue Werte ergänzt und gestärkt werden. Denn auch Veränderungen seien Bestandteil der Geschichte eines jeden alten Gebäudes, da es in der Siedlungsentwicklung keinen Stillstand gäbe. Entscheidend für den Erhalt sei es, Scheunen und Stadel zeitgemäß umzunutzen.

Auch in Sinne des Klimaschutzes sei dies von Bedeutung, erläuterte der Bezirkstagspräsident: „Bereits bei der Errichtung eines Hauses wurden große Energiemengen, etwa für Materialherstellung, Transport und Konstruktion aufgewendet. Diese im Gebäude gebundene ‚graue Energie‘ würde bei einem Abbruch freigesetzt und müsste für einen Neubau in vollem Umfang wieder neu aufgebracht werden. Werden die Kosten von Umbau bzw. Neubau nur auf Grundlage der Baukosten erstellt, so vergisst man, den ökologischen Wert des Bestandes in die Gesamtkosten miteinzubringen.“

„Erst durch Wirtschaftsgebäude werden bäuerliche Wohnhäuser zu Bauernanwesen oder Bauernhöfen“, sagte Bezirksheimatpfleger Dr. Maximilian Seefelder in seinem Vortrag und stellte fest, dass man mittlerweile zwar Bauernhäusern Aufmerksamkeit schenke, Gesamtansichten von Gehöften, Nebengebäude wie Scheunen und Städel, jedoch unterrepräsentiert wären. Dass es gelingen könne, alte Gehöfte mitsamt ihren Nebengebäuden denkmalpflegerisch instandzusetzen und neue Nutzungskonzepte zu entwickeln, belegte Seefelder anhand einiger Beispiele wie etwa einem Jurahaus mit Stadel in Oberndorf (Landkreis Kelheim), für das der Abbruch bereits genehmigt war. Eine Bauuntersuchung, die ursprünglich nur der Dokumentation dienen sollte, erbrachte eine sehr frühe Bauphase (1355) und so wurde der Abriss noch rechtzeitig verworfen. Heute wird das Haus samt ehemaligem Stadel als Radler-Pension genutzt.

Exemplarisch für eine gelungene Umnutzung, die den Erhalt eines historisch wertvollen, landwirtschaftlichen Nutzgebäudes langfristig sichere, sei außerdem der Langstadel in Freyung. Wo früher Rösser und Fässer der benachbarten Brauerei untergebracht waren, proben heute Chöre, Orchester und Tanzgruppen in der „Volksmusik Akademie in Bayern“, die inzwischen weit über die Region hinaus bekannt ist.

„Der Erhalt solcher Gebäude erfordert finanzielle Unterstützung aus den Fördertöpfen von Staat und Kommunen. Nicht minder wichtig ist die Sensibilisierung in Form von fachlicher Beratung für Eigentümer und Interessenten“, schloss Seefelder seine Ausführungen. Genau dafür stehe die Heimatpflege im Allgemeinen und der Bayerische Landesverein für Heimatpflege im Besonderen, unterstrich Dr. Heinrich. Sie setze sich dafür ein, „sichtbare Werte des natürlichen und gebauten Erbes zu bewahren und für die Zukunft weiterzuentwickeln – ohne die Vergangenheit zu verklären, sondern mit dem Wissen um heutige Landschaften und Siedlungen.“

– sb –

Bildbeschreibung:
Magelone Diehl-Zahner von der Katholischen Erwachsenenbildung Rottal-INN-Salzach e. V. und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich
Foto:
Magelone Diehl-Zahner

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